Liebe Kolleginnen und Kollegen,
anlässlich der Jahresversammlung des BVS habe ich
feststellen können, dass im Südtiroler Bibliothekswesen Zustände wie in China
oder früher in der UdSSR herrschten.
Alles wurde kommentarlos angenommen und einstimmig
genehmigt. Ich habe mich gehütet, als einziger gegen irgend etwas zu stimmen
oder mich der Stimme zu enthalten.
Ich gehöre einigen Vereinen an, habe aber noch
keine Jahresversammlung erlebt, die nicht den Programmpunkt "Allfälliges"
enthielt, bei welchem auch diskutiert werden konnte. Die Geschäftsgebarung und
ähnliche Dinge interessieren mich ja auch relativ wenig. Es gäbe aber genug
Punkte, über die man diskutieren könnte und müsste. Denkt nie jemand daran, dass
die Jahresversammlung des BVS die einzige Gelegenheit ist, bei der man wirklich
von einem "Plenum" sprechen könnte? Fragen, die alle betreffen gehören auch dort
hin und nicht nur in eine kleine Arbeitsgruppe am Vormittag.
Wenn sich im Nachhinein zeigt, dass Ehrenamtlichen
nicht auffällt, was im "Dolomiten"-Artikel alles falsch war, sollte schon dieser
Umstand bedenklich stimmen. Ich wurde dort übrigens zitiert, weil der Journalist
offenbar mich als einzigen persönlich gekannt hat. So kommt man zu unverdienten
und fragwürdigen Ehren.
Dr. Sitzmann wird mir verzeihen, wenn ich sage,
dass auch er einiges kritisiert hat. Wahrscheinlich hat er sich aber nicht
laut gemeldet, weil er Wichtigeres zu tun hat und Kritik bisher immer relativ
wenig bewegt hat.
Für mich gibt es wieder mehr als einen guten
Grund, mich ungehalten zu äußern. Den lieben Johannes muss ich darauf hinweisen,
weil es ihm offenbar nicht auffällt, dass "Hudeln" im Bibliothekswesen bald
ganz normal ist. Am 15. April schreibt er, bis zum 22. (Dienstag nach Ostern!)
sollen wir unsere Fragen an den BVS richten.
Weiß er, dass es Bibliotheken gibt, die längst
nicht jeden Tag die Biblio-List ansehen, weil sie z.B. nicht jeden Tag
geöffnet haben? Es soll sogar welche geben, die über Ostern ein paar Tage
schließen. Sollen wir in den Osterferien als Hausaufgabe aufschreiben, was
es zu SIAE usw. für Fragen gibt? Man tut da oben lange Zeit fast nichts und
will dann innerhalb kürzester Zeit alles bewältigen.
Mit einem Umstand, der Amt und BVS scheinbar nicht
bewusst ist, werden Mittelpunktbibliotheken immer wieder konfrontiert:
Ehrenamtliche werden von Aussendungen und Mitteilungen zwar erreicht, sie nehmen
sie aber oft kaum zur Kenntnis. Viele haben inzwischen Internet, wenn ich sie
aber über BISON ausfragen würde, käme zweifellos viel Unwissen zum
Vorschein. Wie auf vielen Gebieten von EDV präsentiert sich nach außen
alles recht schön, dahinter ist vieles aber faul.
Der Nutzer weiß nicht, ob eine Bibliothek
Schlagworte überhaupt vergibt, in vielen Bibliotheken wird offenbar Belletristik
beschlagwortet, das in der Maske von BISON aufscheinende Jahr, das bestimmt
dem Erscheinungsjahr entsprechen sollte, bezieht sich offenbar auf den
Zeitpunkt, wann der Datensatz in BISON gelandet ist. Bei deutschen
Beständen aus italienischen Bibliotheken gibt es riesige Probleme mit den
Umlauten.
Ich würde BISON mit einem schönen, bunten
Luftballon vergleichen, der nur ein paar Fehler hat, nämlich
Löcher.
Ein Katalog mit so großen Mängeln ist für eine
seriöse Nutzung vollkommen ungeeignet: Man weiß nicht, wie aktuell der
Bestand ist, man weiß nicht, ob ein Titel richtig geschrieben ist, obwohl wir
seit zwanzig Jahren den Lesern den Unterschied zwischen Sachbuch und
Belletristik beizubringen versuchen, wird in BISON getan, als ob es keinen gäbe.
Ich habe gute Gründe, unseren Katalog noch
nicht in BISON übernehmen zu lassen. Er hat auch ein paar
Eigenheiten. Dem Durchschnitt der Beschlagwortung in BISON ist er aber
bestimmt weit überlegen: wenn ich etwas anders gemacht habe, dann war ich
normalerweise mindestens konsequent. Wenn ich bei den Tagungen der MPB von RSWK,
SWD usw. reden hörte, habe ich die Kolleginnen und Kollegen oft bewundert.
Inzwischen weiß ich, sie kochen auch nur mit Wasser. Ich rege mich auf, die
anderen lassen Amt und BVS reden und tun sehr oft ganz professionell. Tatsache
ist, dass die Professionalität fast auf allen Gebieten sehr zu wünschen übrig
lässt. Als Entschuldigung muss man sagen, wir haben alle viel zu viele
Aufgaben und zu wenig Personal und Zeit!
Die Überarbeitung des ESSB könnte man natürlich
seitenlang besprechen und den staunenden Lesern darlegen, welche Überraschungen
sie für uns bereit hält. Wie findet Ihr, dass es für die Bücher, die bisher
unter Ha 2.5 standen (Ernährung, Kochbücher) nun sage und schreibe 24 Stellen
geben soll? Unter anderem wird darin aber noch fröhlich Schnaps unter die
analkoholischen Getränke gemixt. Handarbeiten lieben die Frauen nicht mehr sehr.
Darum wird Strick-, Stick-, Häkelzeug und manches andere immer noch in ein
Körbchen geworfen. Wir dürfen in der Bibliothek die Frauen dann darauf
aufmerksam machen, dass im Regal irgendwo noch ein Buch, das sie übersehen
haben, stehen muss. Ich frage mich auch, welcher Experte aus den
Landwirtschaftlichen Oberschulen sich den Abschnitt angesehen hat, wo
weiterhin Obst- und Weinbau friedlich mit Nüssen usw. nebeneinander existieren.
Das Pferd findet sich in der Systematik bei den Nutztieren nicht, dafür
findet man unter dem Schlagwort (!) Pferd mit BISON in einer großen ÖB aber 23
belletristische Werke und 5 Sachbücher.
Es reicht.
Trotzdem frohe Ostern!
Roland
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