Welche Macht ergreift die Religion in einer Gegenwartskultur, die Tradition und Pop, Ewigkeit und Mode scheinbar problemlos ineinander schiebt (sodass freilich alle Mode auch Ewigkeit will)? Welchem Denken liegt der Katholizismus zugrunde und mit welcher populistischen Kraft wirkt er in gesellschaftlichen und politischen Haltungen und Handlungen?
Die Bücherwürmer laden zu solchen Fragen ein mit der Präsentation des neu erschienenen Buches
„JUNGFRAU“
(Suhrkamp Verlag 2008)
von THOMAS MEINECKE
am Freitag, 26. September 2008, 20.00 Uhr
im Hofmannareal in Lana
Thomas Meinecke, Autor, Radio-DJ und Musiker, spürt in seinem neuesten Roman „Jungfrau“ das Phänomen des Katholizismus in der gegenwärtigen Popgesellschaft auf. Dabei entdeckt er nicht nur bei Madonna, Martin Scorsese oder Andy Warhol die Rückkehr der katholischen Religion. Vielmehr sieht er sie in geradezu erstaunlicher (postmoderner) Modernität, sobald sie etwa mit einem Kult des Weiblichen, der Entsagung, des Gewissenskonflikts oder des extravaganten Glaubens höchst brisante politische Diskurse trägt.
Vor dem Hintergrund postmoderner Theorie fragt Thomas Meinecke in „Jungfrau“ nach den politischen und philosophischen Zeichen von katholischen Dogmen.
In den Mittelpunkt des Romans stellt Thomas Meinecke, literarischer Sampler der theoretischen Diskurse und Gegenwartsarchive, den jungen Theologiestundenten Lothar Lothar, der sich in Keuschheit übt und dabei in Versuchung und Gewissenskonflikte gerät. Andere Helden des Romans verstricken sich in theologische Erkundungen oder erproben die nicht sexuelle Liebe des Gesprächs und der verbalen und performativen Verabredungen von Eros oder verspüren einen Hang zu jungfräulichem Leben.
Lothar erforscht das gemeinsame Werk des Theologen Hans Urs von Balthasar und seiner legendären Amica, der Ärztin und Mystikerin Adrienne von Speyr. Er glaubt sich einem unglaublichen Liebesdrama auf der Spur. Und Lothar selbst, ein zur katholischen Theologie sowie zu sexueller Enthaltsamkeit konvertierter Student, gerät zunehmend in Gewissenskonflikte mit seiner hoch und heilig gelobten Haltung: Das Charisma der Klavierspielerin Mary Lou stellt ihn vor Versuchung und Versagung.
Wie in Meineckes Roman „Tomboy“ entwickelt das Diskursnetz von „Jungfrau“ ein burleskes Eigenleben. Hollywoods B-Movie-Ikone Maria Montez sowie ihr Wiedergänger Mario Montez sind darin ebenso verstrickt wie Clemens Brentano, der jahrelang Visionen einer stigmatisierten Nonne protokollierte, Ronald Tavel, Begründer des Theatre of the Ridiculous, der Camp-Filmer Jack Smith oder die Jazzpianistin Jutta Hipp.
Thomas Meinecke ist mit einem popistischen Zugang zum Katholischen gesegnet. In seinem neuen Roman begibt er sich auf extravagante Pfade des Glaubens: Polyphon geht es que(e)r durch die Jahrhunderte, campy und kinky.
Thomas Meinecke
Thomas Meinecke wurde am 25. August 1955 in Hamburg geboren. Der studierte Theaterwissenschaftler ist als postmoderner Literat bekannt, der durch eine ungewöhnliche, den musikalischen Experimentierfeldern ähnliche Schreibtechnik des Sampling auffällt. Er setzt sich mit verschiedenen Themen aus den vergangenen hundert Jahren Kulturgeschichte auseinander, u. a. mit Popkultur und -musik, der deutschen, jüdischen und afrikanischen Diaspora in den USA, und den Geschlechterrollen (Gender). Thomas Meinecke ist Radio-DJ, Musiker der Band F.S.K. und Schriftsteller. "Jungfrau" ist sein fünfter Roman.