Liebe Biblio-Listler,
ich finde, dass die rege Unterhaltung der letzten Wochen gar nicht so
unfruchtbar war. Wie versprochen liefere ich noch einmal ein wenig Senf
dazu, und zwar die Ergebnisse des "inoffiziellen" Forums. Deshalb sei
an dieser Stelle allen gedankt, die gemailt oder im persönlichen
Gespräch und gestern beim Treffen im Unterland wertvolle Anregungen
gegeben haben.
Ich weiß, dass das Thema - und meine Mails - viel breiter diskutiert
werden, als die Bibliolist vermuten lassen würde. Allerdings möchte ich
nicht verantworten, dass Sie sich wegen meiner Mails in eine
Abwartehaltung begeben, für die aus meiner Sicht gar kein Grund
besteht. Und mit verschiedenen Überlegungen möchte ich Sie hiermit
ermutigen, nicht abzuwarten, sondern eine Entscheidung zu treffen, die
Sie begründen können, und diese dann im Brustton der Überzeugung zu
vertreten. Wer dabei andere und noch bessere als die hier vorgestellten
Ideen hat, kann dann das Thema in der Biblio-List mit Dijon-Senf in
Premium-Qualität abschmecken.
Eines vorweg: Machen Sie sich keine Gedanken über die Sintflut nach
Ihnen. Langgediente Bibliothekare haben mittlerweile mehrere
Komplett-Reorganisationen von Medien- und Datenbeständen hinter sich,
und es besteht leider kein Grund anzunehmen, dass die nächsten für die
Ewigkeit bestimmt sind oder der Weisheit letzten Schluss darstellen.
a) Sie gehören zu den Glücklichen, die jeden Neuankömmling im
Regal ausgiebig daraufhin überprüfen können, ob er in die Corporate
Identity Ihrer Bibliothek passt? Dann lesen Sie etwas weniger am
Arbeitsplatz, und machen Sie sich ans Werk! Wie Sie herausfinden
können, ob Sie zu dieser Kategorie oder zum Rest gehören, verrate ich
im Post Scriptum dieser Mail.
b) Sie fühlen sich immer ein wenig unzulänglich und versagen
sich in letzter Zeit sogar den Genuss, die neuen Bilderbücher zu lesen?
Dann haben Sie viele Möglichkeiten, aus denen Sie die Beste für Ihre
Bibliothek auswählen sollten. Es gilt, mit vertretbarem Aufwand ein für
die Leser brauchbares Ergebnis zu erzielen.
Zunächst müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass in
Zukunft noch Einheitlichkeit herrscht. Das zeigen nicht nur die Mails
in der Bibliolist, verschiedene Bibliotheken sind ja schon mit der
Aufstellung nach Interessenskreisen (IK) vorgeprescht. Und eine
Systematik, die nicht nur der durchschnittlichen öffentlichen
Bibliothek, sondern auch Fachbibliotheken entgegenkommt, gibt es
einfach nicht. Spezialbibliotheken sind wohl immer auf eine
"Hausordnung" in bestimmten Bereichen angewiesen. Sollte die ESSB neu
in deren Spezialgebiet nicht ausreichend Flexibilität bieten, weil zu
wenig Systematikstellen dort noch frei sind, hilft nur das Ausweichen
auf gänzlich neue Unterpunkte. Und Schulbibliotheken sollten sich im
Einzelfall entscheiden, wie sie pädagogische Werke unterbringen. Das
hängt nicht zuletzt von den zur Verfügung stehenden Räumen ab und hat
manchmal wenig mit der Systematikstelle zu tun.
Ich mache bezüglich IK keinen Hehl aus meiner Meinung: IK
eignen sich für kleine Dorfbibliotheken mit 1000 Sachbüchern, aus denen
bei regelmäßigem Ausscheiden erwartungsgemäß nie mehr als 2000 werden.
Bei Belletristik bin ich gar kein Freund von Interessenskreisen. Am
ehesten kann ich mir sie noch bei Kindern vorstellen, aber es stellt
sich besonders dort die Kosten-Nutzen-Frage. Bei Jugendlichen und
Erwachsenen sprechen jedenfalls aus meiner Sicht mehrere Gründe dagegen:
- Ein großer Teil der Belletristik dürfte nur mit großer Mühe in
einem vorgegebenen Raster unterzubringen sein. Die Bücher dann einfach
irgendwo einzuordnen, läuft aber gerade der Idee der IK zuwider.
- Wir alle wissen, dass viele Leser gezielt nach Autoren suchen.
Sind diese Schriftsteller vielseitig, und das sind auch Krimiautoren
wie Mankell und Camilleri, so würden ihre Bücher verschiedenen IK
zugeordnet. Ein einzelner IK sollte nicht mehr als 30 Bücher umfassen.
Bei 3000 Romanen wären also 100 IK oder der OPAC zu durchsuchen.
- Vor der Suche eines Buches wird fast immer die Frage stehen, bei
welchem IK es untergebracht ist, man wird auch als Bibliothekar mit
Sicherheit oft den OPAC brauchen.
Heimatromane, Krimis und Schicksalsromane gesondert aufzustellen, finde
ich akzeptabel. Aber ob IK oder nicht grenzt wohl an eine
philosophische Frage, und ich will bestimmt keinen Glaubenskrieg
entfachen. Man sollte nur das Für und Wider sorgfältig abwägen, bevor
man sich entscheidet.
Zurück zu den Sachbüchern. Egal, ob Sie sich für IK oder die neue ESSB
entscheiden, ein völliges Umsystematisieren der Altbestände ist für
alle Bibliothekare der Kategorie b) (siehe oben) nach meiner
bescheidenen Meinung Verschwendung von Zeit und Steuergeldern.
Hochgerechnet auf ganz Südtirol wären viele hunderttausend Euro
Arbeitszeit nötig, und dass in anderen Bereichen noch viel mehr Geld
verschwendet wird, macht die Sache keineswegs besser. Da stimme ich
übrigens nur dem "Macher" der deutschen ASB 1999 vollinhaltlich zu (
http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h77/ ).
Jetzt haben Sie also mehrere Möglichkeiten:
- Radikallösungen
- Konservative Lösungen (für Selbst-Katalogisierer)
- Friedliche Koexistenz (Mischlösungen)
- Als Radikallösung für die ASB wurde beispielsweise
angeraten, nur den Rücklauf innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (1
oder mehrere Jahre) umzusystematisieren. Der ganze Rest wird
offensichtlich nicht genutzt und kann dann ausgeschieden werden. Was
Sie von diesem Ansatz halten überlasse ich ganz Ihnen, aber ich kann
mir das nur für Dorfbibliotheken vorstellen, nicht für jene, die weiter
gehende Aufgaben zu erfüllen haben und für Studium und Wissenschaft
genutzt werden sollen.
- Konservative Lösungen (nur für Selbst-Katalogisierer
geeignet)
Sie stellen nur Sachgebiete (gemeint sind Einzelpunkte) mit 30 oder
mehr Büchern und unübersichtliche Gebiete um (das wurde auch für ASB
1999 und ÖSÖB 2004 empfohlen). Alle anderen lohnen sich schlichtweg
nicht und behalten die alte ESSB, und zwar auch neue Bücher in diesen
Bereichen. Beispiele:
- Aus Na 7 wird Medizin, Na 8 wird aufgelöst
- Aus Na 6 und anderen Einzelstellen alt wird Na 6, Na 7 und Na
8 neu, wodurch die in diesen Bereichen unübersichtliche ESSB alt besser
wird.
- Die Reiseführer werden entsprechend der neuen ESSB in eine
logischere Reihenfolge gebracht.
- Sie unterteilen die 200 Kochbücher mit Systematikstellen von
2.5.1 bis 2.5.9
- Sie verteilen Ge 4.1 alt und Ge 5.1.1 alt auf Ge 7 neu.
- Sie unterteilen Ha 2.4 selbst in Ha 2.4.1 usw., Ha 2.3 in Ha
2.3.1 usw.
- Computerbücher werden Te 8 neu, Te 8 alt wird aufgelöst (etwa
zu Te 9 alt)
- Kleinigkeiten übersichtlicher machen
Das reicht meistens schon!
Der Rest der Zeit wird in eine ordentliche Regalbeschriftung und
Bestandspflege investiert. Gruppen von 30 Büchern erhalten jeweils
einen Oberbegriff am Regal. Damit Sie die Übersicht behalten, müssen
Sie natürlich im alten ESSB-Handbuch jene Bereiche ersetzen, die Sie
umstellen.
- Friedliche Koexistenz (Mischlösungen, meine persönliche
Präferenz für größere Dorfbibliotheken)
Sie lassen extern katalogisieren? Dann haben Sie keine Wahl, seit 1.
Februar mischt sich der Bestand in den Regalen. Das ist kein Grund zur
Panik! Es gelten ganz ähnliche Überlegungen wie im Fall 2, und damit
vor allem: Investieren Sie in Regalbeschriftung und Bestandspflege.
- Medizin wird in jedem Fall eingeführt, Na 7 alt vollständig
umsystematisiert.
- Ihre Rechtsabteilung ist sehr bescheiden? In Philosophie
erfüllen Sie kaum den Grundbedarf, der gar nicht vorhanden zu sein
scheint? Sehr gut! Bringen Sie also jeweils für Gruppen von maximal 30
Büchern eine Regalbeschriftung ("Recht", "Philosophie") an und mischen
Sie unbekümmert alte und neue ESSB. Der Grund dafür ist einleuchtend:
Egal, ob die 30 thematisch wahrscheinlich recht unterschiedlichen
Bücher nun nach der Reihenfolge der alten ESSB, der neuen oder gemischt
da stehen - die Reihenfolge ändert im Prinzip überhaupt nichts, sondern
dient nur der schnellen Auffindung nach der Suche im OPAC. Lesern ist
es zuzumuten, alle 30 Bücher am Regal durchzugehen, ob etwas für sie
dabei ist, eine genauere Beschriftung der Regale ist ohnehin nicht
machbar.
- Gehen Sie bei der Aufstellung und Regalbeschriftung unbedingt
von der ESSB neu aus.
- Überarbeiten Sie wie bei der "konservativen Lösung" nur
Bereiche mit mehr als 30 Büchern, aber vergeben Sie ausschließlich ESSB
neu. (Die häufigsten Fälle in den meisten ÖBen sind oben schon
aufgezählt).
- In einigen Fällen wird es knifflig: Ha 2.5 alt verträgt sich
gut mit Ha 2.5 bis Ha 2.7 neu. Und wohin mit den 2 Büchern von Ha 2.6
alt? Entweder ausnahmsweise umsystematisieren (Ha 2.8 neu),
wegschmeißen oder zur Lösung besonders schwieriger Fälle übergehen:
Eine erweiterte Regalbeschriftung zur leichteren Einordnung anbringen.
Zusätzlich zur Regalbeschriftung werden dann jeweils die
Systematikstellen der ESSB alt und jene der ESSB neu in Klartext
angebracht, damit man weiß, was wo eingeordnet wird. Das ist einfacher,
als es klingt, und setzt nur voraus, dass Bücher mit ESSB neu klar
erkennbar sind. Einige Beispiele:
Der einfachste Fall:
- Regalbeschriftung "Nutztiere" (Ha 3.5 alt wie neu)
- Regalbeschriftung "Pädagogik Allgemeines" (Pä 1 alt wie neu)
Die Mischung:
- Regalbeschriftung "Physik" (Na 4 alt und neu); die Mischung wird
toleriert
- Regalbeschriftung "Geowissenschaften" (Na 5 alt und neu); die
Mischung wird toleriert
- Regalbeschriftung "Mittelalter" (Ge 3.5 alt und neu); die Mischung
wird bei bis zu 30 Büchern toleriert, bei mehr werden die alten
angepasst
- Regalbeschriftung "Säugetiere" mit dem kleinen Hinweis "Na 7.7 neu,
Na 6.7.6 alt"
- Regalbeschriftung "Vögel" mit dem kleinen Hinweis "Na 7.6.3 neu, Na
6.7.5 alt"
Schwierige Fälle:
- Regalbeschriftung "Astronomie" mit dem kleinen Hinweis "Na 2.8 neu,
Na 1.5 alt". Bei wenig Büchern im Bereich Mathematik die
Regalbeschriftung "Mathematik, Astronomie" wählen und den Hinweis "Na 2
neu und alt, Na 1.5 alt am Ende" anbringen.
- Regalbeschriftung "Naturwissenschaften Allgemeines" mit dem Hinweis
"Na 1-1.4 neu und alt"
- Regalbeschriftung "Grenzwissenschaften der Psychologie" oder
"Esoterik, Astrologie" mit dem kleinen Hinweis "Ps 6 neu und alt, Na
1.6 alt". Solche Fälle mit Wechsel des Sachgebietes sind recht selten.
- Regalbeschriftung "Essen & Trinken" und dazu klein der Hinweis
"Ha 2.5 alt, Ha 2.5-2.7 neu". Bei deutlich mehr als 30 Kochbüchern
würden dann mehrere Beschriftungen angebracht und die alten Bücher
eventuell umsystematisiert. Im Anschluss daran stehen die Bücher von Ha
2.8 neu, vermutlich ohne eigene Regalbeschriftung. Aber man könnte den
Hinweis "Ha 2.8 neu, Ha 2.6 alt" klein dort anbringen.
- Pä 2 alt und neu werden bei bis zu 30 Büchern gemischt, ansonsten die
alten umsystematisiert.
- usw.
Ein Vorteil ist zunächst, dass man nicht jedes einzelne
Buchrückenetikett neu ausdrucken und überkleben muss. Viel
entscheidender ist ein weiterer: Falls mehrere Bibliotheken an diesem
Modell interessiert sind, könnte man sich die Arbeit, alte und neue
ESSB zu vergleichen, aufteilen und hätte anschließend sogar eine
weitgehend einheitliche Regalbeschriftung. Eine gute Beschriftung und
Aussortieren seit Jahren ungenutzter Bücher bringt den Lesern mehr als
jede andere Maßnahme und ist ohnehin notwendig.
Wir werden dieses Modell vermutlich in einer Dorfbibliothek mit
überdurchschnittlich großem Bestand umsetzen. Voraussetzung ist
genügend Platz in den Regalen, der Leerräume erlaubt. Interessierte
können sich sehr gerne bei mir melden.
Wer auf IK umsteigen möchte, kann dasselbe System anwenden. Auch
da könnte sich eine Arbeitsgruppe bilden. Vorsicht! Die IK-Listen
werden von BVS und Amt noch überarbeitet, da heißt es abwarten.
Nicht erspart bleibt Ihnen in jedem Fall die Beantwortung einiger Grundsatzfragen.
Wer wie Sterzing weiterhin Tirolensien hochstellt, muss das nach der
Bearbeitung durch den BVS halt selbst tun. Dasselbe gilt für die
Feinunterteilung bei Kindersachbüchern (die vielleicht ja noch kommt)
und die mir so teuren Jugendsachbücher, wobei ich gut geführte
Dorfbibliotheken kenne, deren Umsätze die Auflösung der
Jugendsachbücher keineswegs rechtfertigen. Auch ASB und ÖSÖB sehen sie
noch vor, und ich wiederhole, dass ich an Mittelschüler als
Altersgruppe denke, nicht an Oberschüler.
Schwierig wird es in den Fällen, in denen die Zuteilung zu einer
Systematikstelle der ESSB neu sehr subjektiv ist. Das wird sich nie
ganz vermeiden lassen. Einige Tipps:
- Hausregeln aufstellen
- Überprüfen, wo andere Bücher zum selben Thema eingeordnet wurden
(gilt besonders für den BVS)
- U.U. vom BVS gelieferte Bücher den Hausregeln anpassen
Was Schwächen der neuen ESSB betrifft, bin ich erfreut, dass man offen
für Veränderungen und Verbesserungen ist. Regen Sie ruhig etwas an,
wenn Sie ein Anliegen haben. Dringen Sie damit nicht durch, können Sie
immer noch in der Biblio-List nachpfeffern (auch Cayenne ist
zugelassen) oder eine Hausregel definieren.
Mit der Hoffnung, dass das alles ermutigend genug war, wünsche ich ein
schönes Wochenende und weiterhin gute Arbeit (der ich mich fortan
wieder verstärkt widmen werde).
Viele Grüße
Lothar Gamper
Post Scriptum:
Arbeitszeit-Rechner in 10 Schritten
Machen wir uns nichts vor: Bibliothekare sind dem Generalverdacht
ausgesetzt, den lieben langen Tag nicht viel mehr zu tun als ein paar
Bücher durch die Gegend zu tragen. Als Kultur-Träger ertragen sie das
in der Regel mit stoischem Gleichmut, getragen vom unerschütterlichen
Bewusstsein, dass ihre Aufgabe selbst unter widrigsten Umständen eine
der ganz wenigen unverzichtbaren öffentlichen Dienstleistungen ist.
Was aber, wenn Sie plötzlich der Erwartung ausgesetzt sind, dass Sie
gefälligst schleunigst die neue ESSB einzuführen haben? Was tun, wenn
der konzeptionell umwerfend kluge Stellenabbau nach dem Zufallsprinzip
Sie oder Ihre Bibliothek betreffen würde?
Da hilft nur Überzeugungsarbeit bei den Entscheidungsträgern, und man
kann da ein bisschen nachhelfen. Falls es nichts hilft, dann bringt es
vielleicht wenigstens für das eigene Selbst-Bewusstsein etwas.
Rechnen Sie also einmal aus, ob Sie zur Kategorie a) oder b)
ganz oben in dieser Mail gehören, oder rechnen Sie mal die von Ihnen
ehrenamtlich geleistete Arbeit in Arbeitszeit um (überspringen Sie
Schritt 1 und bilden Sie danach die Summen).
Schritt 1: Berechnen Sie pro ausreichend qualifiziert besetztem
Vollzeitarbeitsplatz (38-Stunden-Woche) 1555 Arbeitsstunden im Jahr.
Damit sind Urlaub, Krankheit und Fortbildung ausreichend
berücksichtigt. Beispiel: 1,5 Stellen = 2332,5 Stunden im Jahr.
Schritt 2: Berechnen Sie die Anzahl der Öffnungsstunden Ihrer
Bibliothek im Jahr und multiplizieren Sie für jede besetzte
Ausleihtheke. Mindestens eine sollte für eine optimale Dienstleistung
durchgehend besetzt sein, in keinem Fall weniger ansetzen. Was Sie in
Ihrer täglichen Praxis erleben, wird auch von der
Bibliothekswissenschaft so anerkannt: Während der Zeit an der
Ausleihtheke geht nicht viel mehr, auch wenn Leerzeiten anfallen.
Beispiel: 52 Wochen x 10 Öffnungsstunden x 1,2 durchschnittlich
besetzte Ausleihtheken = 624 Stunden.
Schritt 3: Ziehen Sie von Ihren statistischen Entlehnungen im
letzten Jahr die Verlängerungen ab (Schätzung). Berechnen Sie pro
Entlehnung im letzten Jahr 2,491 Minuten an Arbeitszeit zusätzlich,
ohne Fernleihe 2,293 Minuten. Die Zeit fällt für das Rückordnen in die
Regale und die Buchpflege (Reinigung, Reparieren) an. Beispiel: 12.000
Entlehnungen x 2,293 Min. = 27516 Min. = 458,6 Stunden.
Schritt 4: Berechnen Sie für jeden Medienzugang im letzten Jahr
21,072 Minuten, und schließen Sie Zeitschriften als Einzelnummern ein.
Es geht hier um - durchaus realistische - Durchschnittswerte, im
Einzelfall ist er deutlich höher oder niedriger. Falls Sie nicht selbst
katalogisieren, nehmen Sie immer noch 14,972 Minuten pro Zugang für
Medienauswahl, Bestellung, Rechnungskontrolle, Lieferantenbeschwerden
etc.
Beispiel: 700 Zugänge x 14,972 Minuten = 10480,4 Min. = 174,67 Stunden.
Schritt 5: Berechnen Sie pro ausgeschiedenem ("makuliertem")
Medium im letzten Jahr 1,710 Minuten Arbeitszeit.
Schritt 6: Bilden Sie die Summe der Zeiten in den Schritten 2-5.
Sie haben jetzt jene Arbeitszeit, die Sie im Jahr allein für die
aufgezählten DAUERAUFGABEN benötigen. Das umfasst noch nicht einmal die
Hilfe für Leser bei der Recherche.
Schritt 7: Ziehen Sie von dem im Schritt 1 ermittelten Wert das
Ergebnis von Schritt 6 ab.
i) Sie haben noch Zeit übrig: Weiter zu Schritt 8.
ii) Sie sind schon unter 0: Kein Wunder, dass Sie sich überfordert
fühlen. Ihre Arbeitszeit reicht noch nicht einmal für die notwendigsten
Tätigkeiten. Sie können hiermit wissenschaftlich begründen, warum Sie
das Mahnwesen vernachlässigen und die Comics in einem
bemitleidenswerten Zustand sind. Weiter zu Schritt 10.
Schritt 8: Ziehen Sie von der Restzeit alles ab, was an
zusätzlichem täglichem Aufwand anfällt. Das umfasst erfreuliche Dinge
(Kaffeepause) ebenso wie unerfreuliche (Telefonate, E-Mails ...). Eine
Schulbibliothekarin hat neulich mal so eine Aufstellung gemacht,
vielleicht stellt sie sie ja in die Bibliolist.
i) Immer noch Zeit übrig? Weiter zu Schritt 9.
ii) Die restliche Arbeitszeit nähert sich bedrohlich dem Wert 0 oder
hat diesen unterschritten? Dann haben Sie gerade so genug Zeit für die
alltägliche Arbeit, aber zu wenig für die Organisation von
Veranstaltungen etc. Weiter zu Schritt 10.
Schritt 9: Eine Fülle von Aufgaben lassen sich hinsichtlich des
Zeitbedarfs kaum standardisieren, z.B. Öffentlichkeitsarbeit,
Personalführung, Planungen und Projekte, Einführung organisatorischer
Veränderungen. Überschlagen Sie das ein bisschen.
i) Sie haben immer noch Zeit übrig: GRATULATION! Sie fallen unter
die Kategorie a). Widmen Sie sich wieder dem Buch, das gerade vor
Ihnen liegt, aber sagen Sie das nicht zu laut.
ii) Würden Sie gern mehr machen, wenn Sie könnten, weil Sie oder das
BiKo das für notwendig halten? Weiter zu Schritt 10.
Schritt 10: Sie fallen unter die Kategorie b). Je
nachdem, wie früh Sie hier gelandet sind, könnte es sein, dass Sie
mindestens den Titel "Manager/in des Jahres" verdienen, weil Sie an der
Ausleihtheke so ganz nebenbei mehr verrichten, als man vermuten würde,
nie krank sind, sich in Ihrer Freizeit fortbilden und nur deshalb die
eine oder andere Veranstaltung unterbringen, weil Sie unglaublich
effizient arbeiten und also in allen Bereichen weniger Zeit als der
Durchschnittsbibliothekar benötigen.
Aber Sie können den Personalplanern jetzt wenigstens vorrechnen, dass
Sie mehr Personal bräuchten. Machen Sie eine Aufstellung nach diesem
Muster und fügen Sie als Anlage den Text unter
http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h49/h49.html mit
korrekter Quellenangabe bei, und zwar Punkt 5 mit den schönen Tabellen
sowie die Fußnoten
(http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h49/fußnoten.html#N_1_).
Erstens sehen viele Zahlen immer gut aus, und zweitens belegen sie
wissenschaftlich, was Sie gerade berechnet haben. Da soll mal jemand
widersprechen!
Sie haben Probleme beim Rechnen? Wenden Sie sich nicht an mich, ich
falle weder unter a) noch unter b). Wenden Sie sich vertrauensvoll an
Bibliothekare der Kategorie a).
|
|