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Zum Abschluss eine Ermutigung

To: biblio-list@provinz.bz.it
Subject: Zum Abschluss eine Ermutigung
From: LG <XX_@XX.XX>
Date: Fri, 17 Feb 2006 18:09:10 +0100
Sender: owner-biblio-list@provinz.bz.it
User-agent: Mozilla Thunderbird 1.0.7 (Windows/20050923)
Liebe Biblio-Listler,

ich finde, dass die rege Unterhaltung der letzten Wochen gar nicht so unfruchtbar war. Wie versprochen liefere ich noch einmal ein wenig Senf dazu, und zwar die Ergebnisse des "inoffiziellen" Forums. Deshalb sei an dieser Stelle allen gedankt, die gemailt oder im persönlichen Gespräch und gestern beim Treffen im Unterland wertvolle Anregungen gegeben haben.
Ich weiß, dass das Thema - und meine Mails - viel breiter diskutiert werden, als die Bibliolist vermuten lassen würde. Allerdings möchte ich nicht verantworten, dass Sie sich wegen meiner Mails in eine Abwartehaltung begeben, für die aus meiner Sicht gar kein Grund besteht. Und mit verschiedenen Überlegungen möchte ich Sie hiermit ermutigen, nicht abzuwarten, sondern eine Entscheidung zu treffen, die Sie begründen können, und diese dann im Brustton der Überzeugung zu vertreten. Wer dabei andere und noch bessere als die hier vorgestellten Ideen hat, kann dann das Thema in der Biblio-List mit Dijon-Senf in Premium-Qualität abschmecken.

Eines vorweg: Machen Sie sich keine Gedanken über die Sintflut nach Ihnen. Langgediente Bibliothekare haben mittlerweile mehrere Komplett-Reorganisationen von Medien- und Datenbeständen hinter sich, und es besteht leider kein Grund anzunehmen, dass die nächsten für die Ewigkeit bestimmt sind oder der Weisheit letzten Schluss darstellen.


a) Sie gehören zu den Glücklichen, die jeden Neuankömmling im Regal ausgiebig daraufhin überprüfen können, ob er in die Corporate Identity Ihrer Bibliothek passt? Dann lesen Sie etwas weniger am Arbeitsplatz, und machen Sie sich ans Werk! Wie Sie herausfinden können, ob Sie zu dieser Kategorie oder zum Rest gehören, verrate ich im Post Scriptum dieser Mail.

b) Sie fühlen sich immer ein wenig unzulänglich und versagen sich in letzter Zeit sogar den Genuss, die neuen Bilderbücher zu lesen? Dann haben Sie viele Möglichkeiten, aus denen Sie die Beste für Ihre Bibliothek auswählen sollten. Es gilt, mit vertretbarem Aufwand ein für die Leser brauchbares Ergebnis zu erzielen.


Zunächst müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass in Zukunft noch Einheitlichkeit herrscht. Das zeigen nicht nur die Mails in der Bibliolist, verschiedene Bibliotheken sind ja schon mit der Aufstellung nach Interessenskreisen (IK) vorgeprescht. Und eine Systematik, die nicht nur der durchschnittlichen öffentlichen Bibliothek, sondern auch Fachbibliotheken entgegenkommt, gibt es einfach nicht. Spezialbibliotheken sind wohl immer auf eine "Hausordnung" in bestimmten Bereichen angewiesen. Sollte die ESSB neu in deren Spezialgebiet nicht ausreichend Flexibilität bieten, weil zu wenig Systematikstellen dort noch frei sind, hilft nur das Ausweichen auf gänzlich neue Unterpunkte. Und Schulbibliotheken sollten sich im Einzelfall entscheiden, wie sie pädagogische Werke unterbringen. Das hängt nicht zuletzt von den zur Verfügung stehenden Räumen ab und hat manchmal wenig mit der Systematikstelle zu tun.

Ich mache bezüglich IK keinen Hehl aus meiner Meinung: IK eignen sich für kleine Dorfbibliotheken mit 1000 Sachbüchern, aus denen bei regelmäßigem Ausscheiden erwartungsgemäß nie mehr als 2000 werden.
Bei Belletristik bin ich gar kein Freund von Interessenskreisen. Am ehesten kann ich mir sie noch bei Kindern vorstellen, aber es stellt sich besonders dort die Kosten-Nutzen-Frage. Bei Jugendlichen und Erwachsenen sprechen jedenfalls aus meiner Sicht mehrere Gründe dagegen:
  • Ein großer Teil der Belletristik dürfte nur mit großer Mühe in einem vorgegebenen Raster unterzubringen sein. Die Bücher dann einfach irgendwo einzuordnen, läuft aber gerade der Idee der IK zuwider.
  • Wir alle wissen, dass viele Leser gezielt nach Autoren suchen. Sind diese Schriftsteller vielseitig, und das sind auch Krimiautoren wie Mankell und Camilleri, so würden ihre Bücher verschiedenen IK zugeordnet. Ein einzelner IK sollte nicht mehr als 30 Bücher umfassen. Bei 3000 Romanen wären also 100 IK oder der OPAC zu durchsuchen.
  • Vor der Suche eines Buches wird fast immer die Frage stehen, bei welchem IK es untergebracht ist, man wird auch als Bibliothekar mit Sicherheit oft den OPAC brauchen.

    Heimatromane, Krimis und Schicksalsromane gesondert aufzustellen, finde ich akzeptabel. Aber ob IK oder nicht grenzt wohl an eine philosophische Frage, und ich will bestimmt keinen Glaubenskrieg entfachen. Man sollte nur das Für und Wider sorgfältig abwägen, bevor man sich entscheidet.

Zurück zu den Sachbüchern. Egal, ob Sie sich für IK oder die neue ESSB entscheiden, ein völliges Umsystematisieren der Altbestände ist für alle Bibliothekare der Kategorie b) (siehe oben) nach meiner bescheidenen Meinung Verschwendung von Zeit und Steuergeldern. Hochgerechnet auf ganz Südtirol wären viele hunderttausend Euro Arbeitszeit nötig, und dass in anderen Bereichen noch viel mehr Geld verschwendet wird, macht die Sache keineswegs besser. Da stimme ich übrigens nur dem "Macher" der deutschen ASB 1999 vollinhaltlich zu ( http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h77/ ).

Jetzt haben Sie also mehrere Möglichkeiten:
  1. Radikallösungen
  2. Konservative Lösungen (für Selbst-Katalogisierer)
  3. Friedliche Koexistenz (Mischlösungen)

  1. Als Radikallösung für die ASB wurde beispielsweise angeraten, nur den Rücklauf innerhalb eines bestimmten Zeitraumes (1 oder mehrere Jahre) umzusystematisieren. Der ganze Rest wird offensichtlich nicht genutzt und kann dann ausgeschieden werden. Was Sie von diesem Ansatz halten überlasse ich ganz Ihnen, aber ich kann mir das nur für Dorfbibliotheken vorstellen, nicht für jene, die weiter gehende Aufgaben zu erfüllen haben und für Studium und Wissenschaft genutzt werden sollen.

  2. Konservative Lösungen (nur für Selbst-Katalogisierer geeignet)
    Sie stellen nur Sachgebiete (gemeint sind Einzelpunkte) mit 30 oder mehr Büchern und unübersichtliche Gebiete um (das wurde auch für ASB 1999 und ÖSÖB 2004 empfohlen). Alle anderen lohnen sich schlichtweg nicht und behalten die alte ESSB, und zwar auch neue Bücher in diesen Bereichen. Beispiele:
    • Aus Na 7 wird Medizin, Na 8 wird aufgelöst
    • Aus Na 6 und anderen Einzelstellen alt wird Na 6, Na 7 und Na 8 neu, wodurch die in diesen Bereichen unübersichtliche ESSB alt besser wird.
    • Die Reiseführer werden entsprechend der neuen ESSB in eine logischere Reihenfolge gebracht.
    • Sie unterteilen die 200 Kochbücher mit Systematikstellen von 2.5.1 bis 2.5.9
    • Sie verteilen Ge 4.1 alt und Ge 5.1.1 alt auf Ge 7 neu.
    • Sie unterteilen Ha 2.4 selbst in Ha 2.4.1 usw., Ha 2.3 in Ha 2.3.1 usw.
    • Computerbücher werden Te 8 neu, Te 8 alt wird aufgelöst (etwa zu Te 9 alt)
    • Kleinigkeiten übersichtlicher machen

    Das reicht meistens schon!
    Der Rest der Zeit wird in eine ordentliche Regalbeschriftung und Bestandspflege investiert. Gruppen von 30 Büchern erhalten jeweils einen Oberbegriff am Regal. Damit Sie die Übersicht behalten, müssen Sie natürlich im alten ESSB-Handbuch jene Bereiche ersetzen, die Sie umstellen.

  3. Friedliche Koexistenz (Mischlösungen, meine persönliche Präferenz für größere Dorfbibliotheken)

    Sie lassen extern katalogisieren? Dann haben Sie keine Wahl, seit 1. Februar mischt sich der Bestand in den Regalen. Das ist kein Grund zur Panik! Es gelten ganz ähnliche Überlegungen wie im Fall 2, und damit vor allem: Investieren Sie in Regalbeschriftung und Bestandspflege.
    • Medizin wird in jedem Fall eingeführt, Na 7 alt vollständig umsystematisiert.

    • Ihre Rechtsabteilung ist sehr bescheiden? In Philosophie erfüllen Sie kaum den Grundbedarf, der gar nicht vorhanden zu sein scheint? Sehr gut! Bringen Sie also jeweils für Gruppen von maximal 30 Büchern eine Regalbeschriftung ("Recht", "Philosophie") an und mischen Sie unbekümmert alte und neue ESSB. Der Grund dafür ist einleuchtend: Egal, ob die 30 thematisch wahrscheinlich recht unterschiedlichen Bücher nun nach der Reihenfolge der alten ESSB, der neuen oder gemischt da stehen - die Reihenfolge ändert im Prinzip überhaupt nichts, sondern dient nur der schnellen Auffindung nach der Suche im OPAC. Lesern ist es zuzumuten, alle 30 Bücher am Regal durchzugehen, ob etwas für sie dabei ist, eine genauere Beschriftung der Regale ist ohnehin nicht machbar.

    • Gehen Sie bei der Aufstellung und Regalbeschriftung unbedingt von der ESSB neu aus.

    • Überarbeiten Sie wie bei der "konservativen Lösung" nur Bereiche mit mehr als 30 Büchern, aber vergeben Sie ausschließlich ESSB neu. (Die häufigsten Fälle in den meisten ÖBen sind oben schon aufgezählt).

    • In einigen Fällen wird es knifflig: Ha 2.5 alt verträgt sich gut mit Ha 2.5 bis Ha 2.7 neu. Und wohin mit den 2 Büchern von Ha 2.6 alt? Entweder ausnahmsweise umsystematisieren (Ha 2.8 neu), wegschmeißen oder zur Lösung besonders schwieriger Fälle übergehen: Eine erweiterte Regalbeschriftung zur leichteren Einordnung anbringen. Zusätzlich zur Regalbeschriftung werden dann jeweils die Systematikstellen der ESSB alt und jene der ESSB neu in Klartext angebracht, damit man weiß, was wo eingeordnet wird. Das ist einfacher, als es klingt, und setzt nur voraus, dass Bücher mit ESSB neu klar erkennbar sind. Einige Beispiele:
Der einfachste Fall:
- Regalbeschriftung "Nutztiere" (Ha 3.5 alt wie neu)
- Regalbeschriftung "Pädagogik Allgemeines" (Pä 1 alt wie neu)

Die Mischung:
- Regalbeschriftung "Physik" (Na 4 alt und neu); die Mischung wird toleriert
- Regalbeschriftung "Geowissenschaften" (Na 5 alt und neu); die Mischung wird toleriert
- Regalbeschriftung "Mittelalter" (Ge 3.5 alt und neu); die Mischung wird bei bis zu 30 Büchern toleriert, bei mehr werden die alten angepasst
- Regalbeschriftung "Säugetiere" mit dem kleinen Hinweis "Na 7.7 neu, Na 6.7.6 alt"
- Regalbeschriftung "Vögel" mit dem kleinen Hinweis "Na 7.6.3 neu, Na 6.7.5 alt"

Schwierige Fälle:
- Regalbeschriftung "Astronomie" mit dem kleinen Hinweis "Na 2.8 neu, Na 1.5 alt". Bei wenig Büchern im Bereich Mathematik die Regalbeschriftung "Mathematik, Astronomie" wählen und den Hinweis "Na 2 neu und alt, Na 1.5 alt am Ende" anbringen.
- Regalbeschriftung "Naturwissenschaften Allgemeines" mit dem Hinweis "Na 1-1.4 neu und alt"
- Regalbeschriftung "Grenzwissenschaften der Psychologie" oder "Esoterik, Astrologie" mit dem kleinen Hinweis "Ps 6 neu und alt, Na 1.6 alt". Solche Fälle mit Wechsel des Sachgebietes sind recht selten.
- Regalbeschriftung "Essen & Trinken" und dazu klein der Hinweis "Ha 2.5 alt, Ha 2.5-2.7 neu". Bei deutlich mehr als 30 Kochbüchern würden dann mehrere Beschriftungen angebracht und die alten Bücher eventuell umsystematisiert. Im Anschluss daran stehen die Bücher von Ha 2.8 neu, vermutlich ohne eigene Regalbeschriftung. Aber man könnte den Hinweis "Ha 2.8 neu, Ha 2.6 alt" klein dort anbringen.
- Pä 2 alt und neu werden bei bis zu 30 Büchern gemischt, ansonsten die alten umsystematisiert.
- usw.
Ein Vorteil ist zunächst, dass man nicht jedes einzelne Buchrückenetikett neu ausdrucken und überkleben muss. Viel entscheidender ist ein weiterer: Falls mehrere Bibliotheken an diesem Modell interessiert sind, könnte man sich die Arbeit, alte und neue ESSB zu vergleichen, aufteilen und hätte anschließend sogar eine weitgehend einheitliche Regalbeschriftung. Eine gute Beschriftung und Aussortieren seit Jahren ungenutzter Bücher bringt den Lesern mehr als jede andere Maßnahme und ist ohnehin notwendig.

Wir werden dieses Modell vermutlich in einer Dorfbibliothek mit überdurchschnittlich großem Bestand umsetzen. Voraussetzung ist genügend Platz in den Regalen, der Leerräume erlaubt. Interessierte können sich sehr gerne bei mir melden.

Wer auf IK umsteigen möchte, kann dasselbe System anwenden. Auch da könnte sich eine Arbeitsgruppe bilden. Vorsicht! Die IK-Listen werden von BVS und Amt noch überarbeitet, da heißt es abwarten.


Nicht erspart bleibt Ihnen in jedem Fall die Beantwortung einiger Grundsatzfragen.

Wer wie Sterzing weiterhin Tirolensien hochstellt, muss das nach der Bearbeitung durch den BVS halt selbst tun. Dasselbe gilt für die Feinunterteilung bei Kindersachbüchern (die vielleicht ja noch kommt) und die mir so teuren Jugendsachbücher, wobei ich gut geführte Dorfbibliotheken kenne, deren Umsätze die Auflösung der Jugendsachbücher keineswegs rechtfertigen. Auch ASB und ÖSÖB sehen sie noch vor, und ich wiederhole, dass ich an Mittelschüler als Altersgruppe denke, nicht an Oberschüler.

Schwierig wird es in den Fällen, in denen die Zuteilung zu einer Systematikstelle der ESSB neu sehr subjektiv ist. Das wird sich nie ganz vermeiden lassen. Einige Tipps:
  • Hausregeln aufstellen
  • Überprüfen, wo andere Bücher zum selben Thema eingeordnet wurden (gilt besonders für den BVS)
  • U.U. vom BVS gelieferte Bücher den Hausregeln anpassen

Was Schwächen der neuen ESSB betrifft, bin ich erfreut, dass man offen für Veränderungen und Verbesserungen ist. Regen Sie ruhig etwas an, wenn Sie ein Anliegen haben. Dringen Sie damit nicht durch, können Sie immer noch in der Biblio-List nachpfeffern (auch Cayenne ist zugelassen) oder eine Hausregel definieren.


Mit der Hoffnung, dass das alles ermutigend genug war, wünsche ich ein schönes Wochenende und weiterhin gute Arbeit (der ich mich fortan wieder verstärkt widmen werde).

Viele Grüße

Lothar Gamper







Post Scriptum:

Arbeitszeit-Rechner in 10 Schritten

Machen wir uns nichts vor: Bibliothekare sind dem Generalverdacht ausgesetzt, den lieben langen Tag nicht viel mehr zu tun als ein paar Bücher durch die Gegend zu tragen. Als Kultur-Träger ertragen sie das in der Regel mit stoischem Gleichmut, getragen vom unerschütterlichen Bewusstsein, dass ihre Aufgabe selbst unter widrigsten Umständen eine der ganz wenigen unverzichtbaren öffentlichen Dienstleistungen ist.

Was aber, wenn Sie plötzlich der Erwartung ausgesetzt sind, dass Sie gefälligst schleunigst die neue ESSB einzuführen haben? Was tun, wenn der konzeptionell umwerfend kluge Stellenabbau nach dem Zufallsprinzip Sie oder Ihre Bibliothek betreffen würde?
Da hilft nur Überzeugungsarbeit bei den Entscheidungsträgern, und man kann da ein bisschen nachhelfen. Falls es nichts hilft, dann bringt es vielleicht wenigstens für das eigene Selbst-Bewusstsein etwas.

Rechnen Sie also einmal aus, ob Sie zur Kategorie a) oder b) ganz oben in dieser Mail gehören, oder rechnen Sie mal die von Ihnen ehrenamtlich geleistete Arbeit in Arbeitszeit um (überspringen Sie Schritt 1 und bilden Sie danach die Summen).


Schritt 1: Berechnen Sie pro ausreichend qualifiziert besetztem Vollzeitarbeitsplatz (38-Stunden-Woche) 1555 Arbeitsstunden im Jahr. Damit sind Urlaub, Krankheit und Fortbildung ausreichend berücksichtigt. Beispiel: 1,5 Stellen = 2332,5 Stunden im Jahr.

Schritt 2: Berechnen Sie die Anzahl der Öffnungsstunden Ihrer Bibliothek im Jahr und multiplizieren Sie für jede besetzte Ausleihtheke. Mindestens eine sollte für eine optimale Dienstleistung durchgehend besetzt sein, in keinem Fall weniger ansetzen. Was Sie in Ihrer täglichen Praxis erleben, wird auch von der Bibliothekswissenschaft so anerkannt: Während der Zeit an der Ausleihtheke geht nicht viel mehr, auch wenn Leerzeiten anfallen. Beispiel: 52 Wochen x 10 Öffnungsstunden x 1,2 durchschnittlich besetzte Ausleihtheken = 624 Stunden.

Schritt 3: Ziehen Sie von Ihren statistischen Entlehnungen im letzten Jahr die Verlängerungen ab (Schätzung). Berechnen Sie pro Entlehnung im letzten Jahr 2,491 Minuten an Arbeitszeit zusätzlich, ohne Fernleihe 2,293 Minuten. Die Zeit fällt für das Rückordnen in die Regale und die Buchpflege (Reinigung, Reparieren) an. Beispiel: 12.000 Entlehnungen x 2,293 Min. = 27516 Min. = 458,6 Stunden.

Schritt 4: Berechnen Sie für jeden Medienzugang im letzten Jahr 21,072 Minuten, und schließen Sie Zeitschriften als Einzelnummern ein. Es geht hier um - durchaus realistische - Durchschnittswerte, im Einzelfall ist er deutlich höher oder niedriger. Falls Sie nicht selbst katalogisieren, nehmen Sie immer noch 14,972 Minuten pro Zugang für Medienauswahl, Bestellung, Rechnungskontrolle, Lieferantenbeschwerden etc.
Beispiel: 700 Zugänge x 14,972 Minuten = 10480,4 Min. = 174,67 Stunden.

Schritt 5: Berechnen Sie pro ausgeschiedenem ("makuliertem") Medium im letzten Jahr 1,710 Minuten Arbeitszeit.

Schritt 6: Bilden Sie die Summe der Zeiten in den Schritten 2-5. Sie haben jetzt jene Arbeitszeit, die Sie im Jahr allein für die aufgezählten DAUERAUFGABEN benötigen. Das umfasst noch nicht einmal die Hilfe für Leser bei der Recherche.

Schritt 7: Ziehen Sie von dem im Schritt 1 ermittelten Wert das Ergebnis von Schritt 6 ab.
i) Sie haben noch Zeit übrig: Weiter zu Schritt 8.
ii) Sie sind schon unter 0: Kein Wunder, dass Sie sich überfordert fühlen. Ihre Arbeitszeit reicht noch nicht einmal für die notwendigsten Tätigkeiten. Sie können hiermit wissenschaftlich begründen, warum Sie das Mahnwesen vernachlässigen und die Comics in einem bemitleidenswerten Zustand sind. Weiter zu Schritt 10.

Schritt 8: Ziehen Sie von der Restzeit alles ab, was an zusätzlichem täglichem Aufwand anfällt. Das umfasst erfreuliche Dinge (Kaffeepause) ebenso wie unerfreuliche (Telefonate, E-Mails ...). Eine Schulbibliothekarin hat neulich mal so eine Aufstellung gemacht, vielleicht stellt sie sie ja in die Bibliolist.
i) Immer noch Zeit übrig? Weiter zu Schritt 9.
ii) Die restliche Arbeitszeit nähert sich bedrohlich dem Wert 0 oder hat diesen unterschritten? Dann haben Sie gerade so genug Zeit für die alltägliche Arbeit, aber zu wenig für die Organisation von Veranstaltungen etc. Weiter zu Schritt 10.

Schritt 9: Eine Fülle von Aufgaben lassen sich hinsichtlich des Zeitbedarfs kaum standardisieren, z.B. Öffentlichkeitsarbeit, Personalführung, Planungen und Projekte, Einführung organisatorischer Veränderungen. Überschlagen Sie das ein bisschen.
i) Sie haben immer noch Zeit übrig: GRATULATION! Sie fallen unter die Kategorie a). Widmen Sie sich wieder dem Buch, das gerade vor Ihnen liegt, aber sagen Sie das nicht zu laut.
ii) Würden Sie gern mehr machen, wenn Sie könnten, weil Sie oder das BiKo das für notwendig halten? Weiter zu Schritt 10.

Schritt 10: Sie fallen unter die Kategorie b). Je nachdem, wie früh Sie hier gelandet sind, könnte es sein, dass Sie mindestens den Titel "Manager/in des Jahres" verdienen, weil Sie an der Ausleihtheke so ganz nebenbei mehr verrichten, als man vermuten würde, nie krank sind, sich in Ihrer Freizeit fortbilden und nur deshalb die eine oder andere Veranstaltung unterbringen, weil Sie unglaublich effizient arbeiten und also in allen Bereichen weniger Zeit als der Durchschnittsbibliothekar benötigen.
Aber Sie können den Personalplanern jetzt wenigstens vorrechnen, dass Sie mehr Personal bräuchten. Machen Sie eine Aufstellung nach diesem Muster und fügen Sie als Anlage den Text unter http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h49/h49.html mit korrekter Quellenangabe bei, und zwar Punkt 5 mit den schönen Tabellen sowie die Fußnoten (http://www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h49/fußnoten.html#N_1_). Erstens sehen viele Zahlen immer gut aus, und zweitens belegen sie wissenschaftlich, was Sie gerade berechnet haben. Da soll mal jemand widersprechen!

Sie haben Probleme beim Rechnen? Wenden Sie sich nicht an mich, ich falle weder unter a) noch unter b). Wenden Sie sich vertrauensvoll an Bibliothekare der Kategorie a).
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