Liebe Biblio-Listler,
bevor die Diskussion ins Persönliche abdriftet, sollten wir auf der
sachlichen Ebene bleiben.
"Einwände und Änderungsvorschläge von Seiten der Bibliothek Olang und
auch der Stadtbibliothek Bruneck wurden zwar zur Kenntnis genommen
(entgegen den Behauptungen von Herrn Lothar Gamper), aber geändert
wurde an der neuen Systematik kaum etwas."
Ich behaupte gar nichts, sondern habe den Eindruck aus der ersten Mail
gewonnen. Auch obige Äußerungen sprechen ja wohl für sich.
"Tipp zur Bewältigung der
Umstellung: In kleinen Schritten denken. Nicht aus Angst vor der
unüberschaubaren Menge den Kopf in den Sand stecken. [...] Und zum Schluss noch ein Literaturhinweis:
Pizzecco, dr. med. Toni
Mut machen oder Mies machen?"
Die Vorstellung, dass ich Angst vor größeren Neuerungen in einer
Bibliothek haben könnte, wird jene, die mich kennen, ebenso belustigen
wie mich selbst.
Aber zurück zum Wesentlichen. Dass ich das Ganze ohnehin nicht so ernst
nehme - wie könnte ich ... - dürfte manchem Leser ja schon in meiner
ersten Mail nicht entgangen sein. Dennoch geht es um Grundsätzliches:
Sollte man mit der Umstellung einer Systematik beginnen, wenn hinterher
ebenso viele Mängel zu erwarten sind wie vorher? Ich freue mich schon
auf die ESSB 2025 ... Nein, entweder man nimmt zur Kenntnis, dass es
noch genügend Ungereimtheiten gibt, die man vielleicht schleunigst
ausräumen sollte, bevor man sich an die Arbeit macht, oder man lässt es
eben bleiben.
Das Problem ist in einer einzelnen Bibliothek gar nicht so relevant. Es
ist auf Grund der Mails an mich persönlich absehbar, dass einige eben
ihre Jugendsachbücher beibehalten, Tirolensien weiterhin "hochstellen",
Kindersachbücher wie schon bisher genau unterteilen etc. So viel
Flexibilität kann die ESSB verkraften, ich kann das nur unterstützen
und hoffe, andere können das auch.
Ein einzelner Bibliothekar kann sich auch entscheiden, ob er Bücher zu
Albigensern oder Hutterern nun bei Ge 3.5.2 oder bei Ge 3.5.6 einreiht
- Hauptsache, das geschieht dort einheitlich. Schwieriger wird es, wenn
wir daran denken, dass es eben Bibliotheken gibt, wo unterschiedliche
Bearbeiter am Werk sind. Kann der BVS eine einheitliche
Systematisierung beim genannten Beispiel oder etwa bei
Reiseversicherungen garantieren? Wird es Bibliothekare geben, die
Bücher über Hexenverbrennung mit Ge 3.5.6 (Lebenswelten im Mittelalter)
systematisieren und dann mit "Mitteleuropa ; Hexenprozesse ; Geschichte
1450-1750" beschlagworten? Können wir garantieren, dass
Bibliothekenrecht oder Lebensmittelrecht halbwegs einheitlich
systematisiert wird? Und müssen wir uns mit Begriffen wie
"Schmerzensrecht" lächerlich machen? Dasselbe ließe sich zu anderen
Sachgebieten auch sagen, aber ich wiederhole, dass ich keine Lust habe,
alles durchzusehen - schon gar nicht, wenn man ohnehin nicht gewillt
ist, irgend etwas zu ändern.
Oder anders gefragt: Ist die neue ESSB offen für Verbesserungen? Lässt
die bestehende Systematik Änderungen mit geringem Aufwand zu, damit
nicht bald wieder eine Generalüberholung notwendig wird?
In Zeiten knapper Ressourcen an Personal und der nicht zu übersehenden
Tatsache, dass viele ehrenamtlich ihre Zeit opfern und so manche
hauptamtlich geführten Bibliotheken ebenso an Personalknappheit leiden,
müssen Fragen einfach erlaubt sein, bevor man sich in mittelgroßen
Bibliotheken einige hundert Stunden an Arbeit vornimmt. Wer das gleich
als Miesmacherei abtut und nach dem Motto "Augen zu und durch" von
vornherein Diskussionen abblockt, der soll das tun. Aber dann verüble
er bitte auch jenen, die alles (auch das BiKo) nicht oder nur
halbherzig mitmachen, ihre Haltung nicht. Das Südtiroler
Bibliothekswesen wird bald ohnehin um jeden Ehrenamtlichen, der
überhaupt noch etwas macht, froh sein müssen. Vielleicht wird es Zeit,
mal darüber nachzudenken.
Viele Grüße und weiterhin gute Arbeit,
Lothar Gamper
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