15. März 2017, 20.30
Kunst Meran, Laubengasse 163, Meran
Zwar wurde er allseits bewundert, aber wenig gelesen und noch schwerer fand er die Aufmerksamkeit der literarischen und wissenschaftlichen Zuwendung. Dabei legte Adalbert Stifter mit dem Roman „Witiko“ ein breit angelegtes Werk vor, das die Geschichte seines besonnenen Helden ebenso dicht und sprachlich hintergründig nachzeichnet wie die Gründung des Adelsgeschlechts der Witigonen.
Zwei unterschiedliche Lesarten bietet der Abend mit dem Südtiroler Literaturwissenschaftler und Übersetzer Felix Reinstadler und dem Dichter Michael Donhauser.
Felix Reinstadler: Wort und Verantwortung. Zum „Witiko“ von Adalbert Stifter
Eine epische Erzählung, veröffentlicht in drei Bänden 1865-1867: Sie spielt im 12. Jahrhundert, der Protagonist ist Ritter, der Schauplatz die Gründung des Königreichs Böhmen. Out of date? „Krieg ist ja schier immer“, sagt Witiko. Im Fokus steht aber nicht der Kampf mit dem Schwert, sondern der Sprachgebrauch und die Rhetorik der Diplomatie.
Michael Donhauser: Waldwand. Eine Paraphrase (Matthes & Seitz, 2016)
Witiko ist ein 1 000 Seiten umfassender historischer Roman, der die Gründungsgeschichte des Königreiches Böhmen im 12. Jahrhundert erzählt. Adalbert Stifter schrieb zehn Jahre an diesem Großwerk, in dessen Zentrum Witiko steht, der sein Tun der Frage nach dem Guten wie nach dem Rechten unterwirft. Witiko erweist sich durch alle Wirrungen missglückter Erbfolge und daraus resultierender Kriege hindurch als moralisch standhaft, auch dann, wenn sein Tun nicht ausschließlich den gegebenen Normen entspricht. Donhauser erzählt diesen enigmatischen Text, der »Menschengeschichte in Naturgeschichte« (Ulrich Greiner) verwandelt, und geht seinem Geheimnis auf den Grund. Indem er erklärend, zitierend und berichtend Stifters Dichtungsversuch abschreitet, entsteht ein einzigartiger Text von unbekannter Gattung : Poesie, Epik und Philologie verschmelzen zu einem Leseerlebnis, das nicht nur einen der großen Texte der deutschsprachigen Literatur neu entdecken und gleichsam mitlesen lässt, sondern darüber hinaus diesen Text wie eine Leseanleitung für die eigene Erfahrung fruchtbar macht. Indem Donhauser sich diesem großen Klassiker widmet, gewinnt er selbst klassische Konturen.
Felix Reinstadler, geboren 1981 in Meran, studierte in Wien Germanistik und Romanistik und promovierte mit einer Arbeit zum politischen Aktivismus des österreichischen Schriftstellers Robert Miller. Neben der wissenschaftlichen Forschung arbeitet er am Neuberg College Projekt und als Übersetzer in der Gruppe „Versatorium“, die u.a. Lyrik von Charles Bernstein und Rosmarie Waldrop ins Deutsche übersetzt.
Michael Donhauser, geboren 1956 in Vaduz, studierte Germanistik und Romanistik in Wien. Abschluss mit einer Arbeit zu den deutschen Übersetzungen von Charles Baudelaires „Fleurs du Mal“. Seit 1986 Veröffentlichungen von Gedichten sowie Erzählungen und einem Roman. Nach 1996 zudem essayistische Arbeiten, unter anderem zur Poetik in Werken der Literatur und Kunst. Gelegentlich Übersetzungen aus dem Französischen (Arthur Rimbaud, Francis Ponge). Zuletzt: Schönste Lieder. (Urs Engeler Editor. 2007); Nahe der Neige. (Urs Engeler Editor. 2009); Variationen in Prosa. (Matthes & Seitz Berlin. 2013); Waldwand. Eine Paraphrase. Matthes & Seitz Berlin. 2016). Michael Donhauser lebt in Wien.
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