24. und 25. Mai 2017, 20.00
Filmclub Bozen, Dr.-Streiter-Gasse 6
"Was für Sätze". Zu Ilse Aichinger (1921 - 2016)
Im vergangenen Herbst ist Ilse Aichinger verstorben, die zu den singulären Erscheinungen der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur zählt. Einer „größeren Hoffnung“ ebenso wie einem anarchistischen Zorn über die Welt verpflichtet, suchte sie nach einer Form des Erzählens, durch die den Wörtern „die Lautlosigkeit zurückzugewinnen sei, aus der sie entstanden sind“. Damit einher ging das Misstrauen gegen die „besseren Wörter“ und gegen den redundanten Einsatz von Rede und Selbstrede. Viel eher schöpfte Aichinger ihr Sprechen aus der Reduktion auf eine Poetik, die ein persönliches Ich zurücknimmt und ihr Maß an der Präzision und Klarheit der Beobachtung nimmt: an einem „Zustand zu schreiben, in dem sich innere und äußere Genauigkeit deckt".
In ihren Gedichten und Prosastücken, Hörspielen und Interviews formulierte Ilse Aichinger immer wieder eine Haltung des Schweigens und der Diskretion, die die Nähe zum eigenen Verschwinden gehütet hat, als wäre es die wiederholte Einübung in den Abschied. In der Zeit des Krieges hielt sie sich mit ihrer jüdischen Mutter jahrelang versteckt, während die Großmutter sowie die Geschwister der Mutter in den Konzentrationslagern starben. Aichingers Schwester konnte mit einem letzten Kindertransport nach England fliehen. Diese Erinnerung und eine wachsame Beobachtung der Zeitgeschichte verpflichteten die Autorin zu einem Erzählen des lautlosen Zuhörens und Zuschauens, das gegen die Zumutungen des Daseins nüchtern revoltiert und die Erfahrung des Endes wandelt in Erkenntnis und Form.
„Wenn wir es richtig nehmen, können wir, was gegen uns gerichtet scheint, wenden, wir können gerade vom Ende her und auf das Ende hin zu erzählen beginnen, und die Welt geht uns wieder auf.“
In der zweitägigen Veranstaltung, kuratiert von Theresia Prammer und Christine Vescoli, wollen wir der österreichischen Autorin in ihren Erzählungen, Beobachtungen und Leidenschaften auf der Spur sein. Maria Hofstätter liest aus ihrem Werk, Marlene Streeruwitz, Josef Oberhollenzer und Josef Winkler folgen ihr in literarischen und Helmut Böttiger und Sascha Michels in essayistische Annäherungen.
PROGRAMM:
„Was für Sätze“. Zu Ilse Aichinger (1921 – 2016)
Filmclub Bozen, Dr. Streiter-Gasse
24. Mai 2017, 20.00 Uhr
Helmut Böttiger: Ilse Aichingers frühe Jahre
Sascha Michels: „Immer neu beim Text bleiben.“ Ilse Aichingers Ethik des Lesens
Josef Oberhollenzer: Auf der Suche nach dem Tannenzapfen
Anschließend: Ilse Aichinger: Ausgewählte Texte
Es liest: Maria Hofstätter
25. Mai 2017, 20.00
Marlene Streeruwitz: Beim Lesen von „Findelkind“
Josef Winkler: Da flog das Wort auf
Anschließend: „Der Dritte Mann“ (The Third Man), engl. Originalfassung mit ital. UT, Regie Carol Reed, Drehbuch Graham Greene. Mit Joseph Cotten, Alida Valli, Orson Welles, Paul Hörbiger u. v. a.
|