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WG: [SB] NZZ: Warum ist «Schule doof» und Lernen chic?

To: <biblio-list@provinz.bz.it>
Subject: WG: [SB] NZZ: Warum ist «Schule doof» und Lernen chic?
From: "Fritz, Markus" <Markus.Fritz@provinz.bz.it>
Date: Thu, 29 Jan 2004 08:54:11 +0100
Sender: owner-biblio-list@provinz.bz.it
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Thread-topic: [SB] NZZ: Warum ist «Schule doof» und Lernen chic?
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Hallo Blbliolistler/innen!

Ich leite euch hiermt eine E-Mail aus der österreichischen Mailingliste für 
Schulbibliotheken weiter. 
Im Artikel aus der NZZ geht es u.a. um Sachbücher für Kinder und Jugendliche.

Herzliche Grüße aus dem Amt für Bibliothekswesen
Markus Fritz


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Timo Davogg [mailto:t.davogg@aon.at] 
Gesendet: Mittwoch, 28. Januar 2004 17:07
An: Schulbibliotheken
Betreff: [SB] NZZ: Warum ist «Schule doof» und Lernen chic?


http://www.nzz.ch/2004/01/28/fe/page-article9CZL8.html

28. Januar 2004, 02:11, Neue Zürcher Zeitung

Warum ist «Schule doof» und Lernen chic?

Bildung als Freizeitbeschäftigung für Jugendliche

Die PISA-Studie hat auch den Kinder- und Jugendbuchmarkt aufgerüttelt. Eine 
Flut von gelehrten Büchern zu naturwissenschaftlichen und philosophischen 
Fragen kommt derzeit auf den Markt. Wer also im Audimax der Kinder-Unis keinen 
Platz mehr gefunden hat, kann sich auch zu Hause bilden. Ob das funktioniert, 
bleibt aber fraglich.

Von Zauberschülern und Piratentöchtern wurde Kindern an verregneten Sonntagen 
bisher erzählt, während sich die Jugendlichen mit einem Herz-Schmerz-Roman in 
ihr Zimmer zurückzogen. Damit könnte es vorbei sein, folgt man einem 
neuerlichen Trend. Der Pionier-Philosophielehrgang «Sofies Welt» ist zwar 
längst im Bücherregal verstaut, und dennoch gilt wieder: Statt Feuerproben von 
Märchenhelden ist nun «Abenteuer Denken» angesagt, statt der Geheimnisse im 
Wunderland stehen künftig die «Rätsel der Welt», von Forschern erklärt, auf dem
Lese- Menu, Bücher voller «Praktiken der Philosophie» oder «Basiswissen zum 
Mitreden». Rowohlt etwa hat die Sachbuchreihe «science & fun» kreiert; die 
Deutsche Verlags-Anstalt bringt nächstens den zweiten Band der «Kinder-Uni» 
heraus (der erste hatte eine Startauflage von 50 000 Exemplaren); Jens 
Soentgens im Hammer-Verlag erschienener Ratgeber «Selbstdenken!» bietet jungen 
Menschen eine Anleitung zum Philosophieren; und bei Gerstenberg erklärt Frank 
Vermeulen in seinem Roman «Der Herr Albert» Jugendlichen auf vierhundert Seiten 
die Relativitätstheorie. Einige dieser Bücher sind durchaus gut gemacht. So hat 
etwa der bekannte Illustrator Klaus Ensikat «Die Kinder-Uni» mit Bildern 
versehen, die den ernsthaften akademischen Rahmen geistreich sprengen. Die 
Texte von Ulrich Janssen und Ulla Steuernagel sind Mitschriften der 
Vorlesungen, die Professorinnen und Professoren im Sommersemester 2002 an der 
Universität Tübingen gehalten haben. Sie sind in einer klaren, einfachen 
Sprache verfasst, ohne deshalb anspruchslos zu sein oder sich etwa dem 
Jugendton anzubiedern. Auch die Themen, die da behandelt werden, stellen eine 
Mischung dar aus grundlegenden («Warum müssen Menschen sterben?») und im 
Kontext eher ungewöhnlichen Fragen («Warum ist Schule doof?»). Einige 
Standardthemen kristallisieren sich gleich in mehreren solchen Fibeln zu einer 
Art Kinder-Bildungskanon heraus. Besonders das Aussterben der Dinosaurier und 
das Ausbrechen von Vulkanen scheinen den Forscher-Nachwuchs zu beschäftigen. 
Nehmen sich Janssen und Steuernagel dieser Gegenstände angemessen fundiert an, 
so werden im Band «Warum ist der Himmel blau? Kinder fragen, Eltern rätseln» 
von Bernhard Schulz, Antje Wegener und Carola Zinner die gleichen Themen 
wesentlich knapper und eher auf Unterhaltung als auf Vertiefung hin erklärt. 
Pointen und ausgefallene Fragen wie «Warum fallen die Vögel im Schlaf nicht vom 
Baum?» sollen das Lernen da offensichtlich besonders lustvoll gestalten. Nicht 
nur zur Wissensanhäufung, sondern auch zu Reflexionen wollen einige Bücher 
Abenteuer Denken» vermittelt auf originelle Weise - über Anekdoten oder Dialoge 
- philosophisches Grundwissen. Dezent versucht der britische College-Dozent 
dabei auch, die klassische Rollenverteilung zwischen väterlichem Lehrer und 
naseweiser Schülerin zu unterlaufen. Fast schon ärgerlich anachronistisch sind 
hingegen die Parts in Vermeulens erwähntem Roman vergeben. Da bekommt die 
kindliche Protagonistin Einsteins Relativitätstheorie gleich von zwei älteren 
Herren erklärt: vom Grossvater und von einem sogenannten Beobachter, einer 
imaginären Figur aus Einsteins Gedankenexperimenten. Der Lernprozess der Heldin 
wird zwar für die Lesenden erstaunlich gut nachvollziehbar, die fiktive 
Geschichte, in welcher er eingebettet ist, scheint aber an den Haaren 
herbeigezogen und steht allzu offensichtlich im Dienste der Wissensvermittlung. 
Alle diese Bücher unterstreichen das Bedürfnis vieler, sich der gegenwärtigen 
Bildungskrise zu stellen. Eine wesentliche Frage allerdings können auch hohe 
Verkaufszahlen nicht beantworten. Jene nämlich, ob die Kinder und Jugendlichen 
die von besorgten (Gross-)Eltern verteilte verzuckerte Pille auch schlucken und 
ob sie sich tatsächlich Relativitätstheorie, Evolution oder das Glühen des 
Glühwürmchens auf ein paar Sachbuch- oder auch auf ein paar hundert Romanseiten 
erklären lassen wollen - als coole Freizeitbeschäftigung.

Christina Thurner

Ulrich Janssen, Ulla Steuernagel: Die Kinder-Uni. Forscher erklären die Rätsel 
der Welt. Mit Illustrationen von Klaus Ensikat. Deutsche Verlags-Anstalt, 
Stuttgart 2003. 223 S., Fr. 35.50. - Stephen Law: Philosophie. Abenteuer 
Denken. Aus dem Englischen von Anne Braun. Mit Bildern von Daniel Postgate. 
Arena-Taschenbuch, Würzburg 2003. 247 S., Fr. 14.-. - Bernhard Schulz, Antje 
Wegener, Carola Zinner: Warum ist der Himmel blau? Kinder fragen, Eltern 
rätseln. Mit farbigen Illustrationen von Sybille Hein. Rowohlt-Verlag, Berlin 
2003. 155 S., Fr. 30.10. -  Jens Soentgen: Selbstdenken! 20 Praktiken der 
Philosophie. Mit Illustrationen von Nadia Budde. Peter-Hammer- Verlag, 
Wuppertal 2003. 223 S., Fr. 33.60. - Frank Vermeulen: Der Herr Albert. Ein 
Roman über Einsteins Gedankenexperimente. Aus dem Niederländischen von Rolf 
Erdorf. Gerstenberg-Verlag, Hildesheim 2003. 412 S., Fr. 37.10.


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