Freitag, 18. Jänner 2013
Diskussionsrunde
„Schreiben über die Provinz“
Die drei Kühe | Franz Held
Ort:
Waltherhaus Bozen, Oberes Foyer
Beginn:
20 Uhr
Teilnehmer:
Joachim Gatterer,
Martin Hanni, Rut Bernardi
Moderation: Margit Oberhammer
Im Mittelpunkt des Abends stehen die beiden Bücher „Die
drei Kühe" von Egon Erwin Kisch und „Franz Held. Vordadaistische Texte aus Jenesien". Beide Bücher wurden
soeben von der Edition Raetia publiziert beziehungsweise wieder neu aufgelegt.
Das Besondere und Verbindende der beiden Autoren ist, dass sie abseits des üblichen Kitschs der Heimatromane und des nationalsozialistischen Schreibguts über die Provinz geschrieben haben.
Die Diskussionsteilnehmer:
Margit Oberhammer, Studium der Germanistik und Kunstgeschichte, Kulturpublizistin,
Mitarbeiterin der Freien Universität Bozen. Veröffentlichungen zu Literatur und Linguistik.
Joachim Gatterer, Herausgeber: Egon Erwin Kisch: „Die drei Kühe“.
Seit 2010 Forschungsstipendiat am Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck. Mehrere Veröffentlichungen zu Themen der politischen Zeitgeschichte Südtirols, Italiens und Österreichs.
Martin Hanni, Herausgeber: „Franz Held. Vordadaistische Texte aus Jenesien“.
Studium der Geschichte, Autor und Publizist, Gestalter von Filmdokumentationen. Mehrere Veröffentlichungen zur Südtiroler Literatur.
Rut Bernardi
wurde 1962 in St. Ulrich in Gröden geboren.
Nach ihrem Studium der Romanistik in Innsbruck, ist sie heute tätig als
Lehrbeauftragte für Ladinisch, Publizistin, Redakteurin und Schriftstellerin. Sie erhielt diverse Preise und Stipendien, u. a. Jahresaufenthaltsstipendium des Österreichischen Bundesministerium für Bildung Wissenschaft und Kultur in Wien (2003) und den
Förderpreis Walther von der Vogelweide (2004).
Zur Zeit arbeitet sie an einer “Geschichte der ladinischen Literatur” an der Freien Universität Bozen.
Die Bücher:
Egon Erwin Kisch: Die drei Kühe. Eine Bauerngeschichte zwischen Tirol und Spanien. Herausgegeben und kommentiert von Joachim Gatterer.
176 Seiten mit vielen Fotos, Paperback | Euro [I] 12,50
ISBN 978-88-7283-425-1
Winkler/Lanthaler/Hanni: Franz Held. Vordadaistische Texte aus Jenesien
308 Seiten mit Abb., Paperback | Euro [I] 12,90
ISBN 978-88-7283-429-9
Zum Buch Franz Held:
»Der Schriftsteller Franz Herzfeld (Franz Held) wurde letzter Tage infolge Geistesstörung der Irrenabteilung des hiesigen Spitals zur Beobachtung
übergeben.« Mit dieser Meldung in den »Bozner Nachrichten« vom 28. Februar 1900 endete, vorerst, das nomadische Leben des Schriftstellers und Freigeistes. Franz Held, geboren vor 150 Jahren in Düsseldorf, lebte u. a. in Berlin, München, Weggis in der Schweiz,
Aigen bei Salzburg und in Jenesien bei Bozen. Nicht weniger interessant als seine Romane, Gedichte und Theaterstücke ist das skurrile und mysteriöse Schicksal der fünfköpfigen Familie Herzfeld. Während Franz Held und seine Frau um 1900 in psychiatrische Anstalten
eingeliefert werden, wachsen ihre vier Sprösslinge als Waisenkinder auf. Zwei von ihnen – John Heartfield und Wieland Herzfelde – gründen gut zwei Jahrzehnte später mit George Grosz die Berliner Dada-Bewegung. Dabei beziehen sich die Söhne immer wieder auf
die Texte ihres politisch engagierten Vaters, der wegen anarchistischer und angeblich gotteslästerlicher Gedichte 1895 verurteilt wurde und sich daraufhin aus Deutschland absetzte. Durch sein Untertauchen verschwanden seine Bücher aus den Regalen der Buchhandlungen
und sind seither in Vergessenheit geraten – dies obwohl er zu Recht als Vor-Dadaist bezeichnet werden kann. Diese Textsammlung begibt sich auf Spurensuche.
Zum Buch: Die drei Kühe:
Egon Erwin Kisch war "der rasende Reporter" und eine der schillernden Figuren im literarischen Betrieb der Weimarer Republik.
In zahlreichen Reiseberichten porträtierte er die großen Veränderungen seiner Zeit mit einem bis dato unerreichten Gespür für das Unscheinbare und Außergewöhnliche. Als Berichterstatter aus dem Spanischen Bürgerkrieg veröffentlichte Kisch 1938 die Geschichte
des jungen Tiroler Kleinbauern Max Bair, der seinen verschuldeten Hof aufgegeben hatte, um gemeinsam mit drei Freunden als Freiwilliger in den Krieg zu ziehen.
Mehr als siebzig Jahre nach Erscheinen der illustrierten Erstausgabe der "Drei Kühe" liegt nun erstmals eine authentische
Neuauflage vor.
In einem umfangreichen Nachwort liefert der Herausgeber ergänzende Hintergrundinformationen und verweist auf zahlreiche
literarische Parallelen zu bedeutenden Themen und Werken der damaligen Zeit. Im Umfeld der klassischen Provinzliteratur nehmen die „Drei Kühe“ eine Sonderstellung ein, nicht zuletzt aufgrund ihrer langen publizistischen Odyssee. Auf kommunistischen Pfaden
gelangte der Text von Madrid über Moskau und London in zahlreiche osteuropäische Länder, bis er 1980 erstmals in einer Tiroler Kalenderschrift veröffentlicht wurde.
Mag. Eva Simeaner
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