23. November 2016, 20.00 Uhr
Kunst Meran, Lauben 163
JOANNA BATOR: DUNKEL, FAST NACHT. (Aus dem Polnischen von Lisa Palmes. Suhrkamp 2016)
Nach dem Blick, den Literatur Lana mit György Dragomán in die postkommunistische Geschichte Rumäniens geworfen hat, behält sie Osteuropa mit seinen nicht aufgearbeiteten Traumata und Herausforderungen der Gegenwart im Auge: Joanna Bator stellt mit ihrem neuen Roman ein düsteres Epochenportrait Polens als Kriminal- und Familiengeschichte vor.
Eine Stadt ist in Aufruhr. Drei Kinder sind verschwunden. Die erfolglosen Ermittlungen schüren die Wut der Bürger, befeuern die Gerüchte. Verdächtigungen und Schuldzuweisungen greifen um sich. Gehetzt wird gegen die »Katzenfresser«, die Zigeuner. Im Radio und im Internet lodert die Sprache des Hasses.
Alicja Tabor hat diese Stadt früh verlassen. Nun kehrt sie als Journalistin zurück, um Nachforschungen über die rätselhaften Entführungen anzustellen. Sie quartiert sich im alten Haus ein, das seit dem Tod des Vaters leer steht; die Atmosphäre ist düster, die Stimmung im einst so geliebten Garten unheimlich. Ständig fühlt sie sich beobachtet, um sie herum ereignen sich unerklärliche Dinge.
Schon in Sandberg und Wolkenfern begegnete uns Joanna Bator als Virtuosin der Verknüpfung, die in den verschwiegenen Familiendramen die Geschichte einer Epoche aufleuchten lässt. Mit der ihr eigenen Subtilität schildert sie, wie Stimmungen kippen können, wie latente Ängste und Traumata sich in jähe Ausbrüche von Wahnsinn verwandeln. Dunkel, fast Nacht ist ein Roman über die Brüchigkeit einer Gesellschaft, die ihre gemeinsame Sprache verloren hat.
Joanna Bator, 1968 geboren, publizierte in wichtigen polnischen Zeitungen und Zeitschriften. Seit dem Roman "Sandberg" gilt die Autorin als eine der wichtigsten Stimmen der europäischen Literatur. Für "Dunkel, fast Nacht" (2012) wurde sie mit dem NIKE, dem wichtigsten Literaturpreis Polens, ausgezeichnet, und für die deutsche Übersetzung mit Lisa Palmes für den Internationalen Literaturpreis 2016 nominiert. Joanna Bator ist Hochschuldozentin und lebt in Japan und Polen.
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