Sehr geehrte Damen und Herren,
Selma Mahlknecht (https://www.facebook.com/selmamahlknechtofficial/)
bietet derzeit wieder Lesungen ihres feministischen Romans "Luba und
andere Kleinigkeiten" (siehe Leseprobe Buchanfang weiter unten) an.
Es ist ein Roman über die Auseinandersetzung einer Frau mit Themen
wie Schwangerschaft, Karriere, gesellschaftliche Bedeutung der
Mutterschaft etc., bei dem es zugleich immer wieder eine ironische
Brechung gibt, so dass das Buch trotz seiner Tiefe eine gewisse
Leichtigkeit bewahrt. Besonders humorvolle Passagen werden live zu
zweit vorgetragen, wie hier beim gefilmten Dialog "Lavendelseife":
https://www.youtube.com/watch?v=NAio2DsxxGs
Für nähere Informationen stehe ich gerne zur Verfügung!
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Gritsch, Zernez (CH)
kurt.gritsch@gmail.com
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Textausschnitt "Luba und andere Kleinigkeiten", Edition Raetia 2016,
S. 7-8.
Dienstag, 13. Juni, 22h
Da
ist er, der
doppelte Streifen. Ich habe dumpf damit gerechnet, und doch sitze
ich jetzt wie
gelähmt auf dem Klodeckel. Kein Gedanke, kein „oh nein“, kein „was
jetzt“. Das
erste, was mir nach einer Weile einfällt, ist ein Klischee. Frau
mit
gespreizten Beinen auf Liege in schneeweißem Zimmer. Arzt, der
nicht recht
weiß, wie er es sagen soll. „Gratuliere, Sie sind...“ oder doch
eher: „Leider
muss ich Ihnen mitteilen, dass...“? Ich habe den doppelten
Streifen. Ich stehe
auf, trete zum Waschbecken. „Leider muss ich dir gratulieren“,
sage ich zu
meinem Spiegelbild.
Noch
weiß keiner
davon. Noch sind wir ganz unter uns. Der Punkt und ich. Das
Stäubchen. Noch ist
es nicht viel mehr als eine Zellenanhäufung. Aber es brodelt. Ein
kleiner
Urknall ist Zugange in meinem Bauch, ein neues Universum entsteht
da drinnen
zwischen meinen Speckröllchen und den Säften, die herumgeschoben
werden. Ich
werde umgebaut. Innerlich restrukturiert. Auf Mutter getrimmt.
Bald werden mich
die Hormone in eine Wahnsinnige verwandelt haben. In einen
gluckegewordenen
Beschützerinstinkt. Brustpumpe und Wegwerfwindel werden meine Welt
sein. Ich
werde keine Wahl mehr haben. Aber das Schlimmste: Auch in den
Augen der anderen
werde ich nur noch Mutter sein. Ein eindimensionales, nie wieder
in eine
vernünftige Konfektionsgröße passendes Kummerspeckungetüm, mit dem
man nur noch
über den Stuhlgang seines Säuglings oder höchstens noch über
dessen Probleme
mit dem Bäuerchen reden kann.
Ich
will es noch
für mich behalten. Will mit meiner Angst noch ein bisschen allein
sein. Noch
ein bisschen normales Leben spielen, wissend, dass damit ein für
allemal
Schluss ist. Ich will mich alleine herantasten an diesen winzigen
Stern, der in
mir aufzuglühen beginnt. Will keine guten Ratschläge der anderen,
die plötzlich
alles besser wissen werden. Noch gehöre ich mir allein. Noch
gehört es mir
allein. Heute Nacht werde ich nicht schlafen.
Mittwoch, 14. Juni, 8h
Habe
geschlafen
wie ein Murmeltier. Bin am Morgen noch eine Viertelstunde wach im
Bett und
gelegen und habe darauf gewartet, dass mir schlecht wird. Nichts.
Ich fühle
mich noch genauso an wie in meinem alten Leben. Irgendwie
enttäuschend.
15h
Im
Laufe des
Tages strenge Selbstbeobachtung. Ich blicke öfter nach
Kinderwagen. Als im Café
ein Baby zu schreien beginnt, fühle ich mich ertappt. Und in der
Straßenbahn
denke ich über Namen nach. Momentaner Favorit: Bernadette.
23:24h
Das
mit
Bernadette müssen die Hormone sein. Jetzt klingt der Name abstrus.
Ich verwerfe
ihn dennoch nicht, sondern konserviere ihn als Mahnmal.