Lesung "Hinter tausend Pässen keine Welt"

[Kurt Gritsch <kurt.gritsch@gmail.com>]

Die Schriftstellerin Selma Mahlknecht liest aus noch unveröffentlichten Werken, die während der Pandemie entstanden sind:

Hinter tausend Pässen keine Welt

Poetische Lesung mit Musik

9. Juli

wir belauern einander:

wie hast du’s mit der pandemie?

niemand ist frei von furcht

aber jeder glaubt sich

über die des anderen erhaben

so werden wir

einer des anderen engel

bereit mit flammenden schwert

die schwachen zu vertreiben

aus dem paradies

unserer angst

 

Schwierige Zeiten liegen hinter uns. Während wir uns langsam an so etwas wie die neue Normalität heranwagen, spüren wir, dass das erste Halbjahr 2020 tiefe Spuren hinterlassen hat. So einsam, gestresst, bedrückt und ratlos waren wir als Weltgemeinschaft selten in der Menschheitsgeschichte. Doch es ist auch einiges gewachsen: Solidarität, Miteinander, Hoffnung – und vielleicht auch neue Perspektiven.

Die Schriftstellerin und Dramatikerin Selma Mahlknecht liest aus ihrem poetischen Tagebuch und aus weiteren Werken, die während des Corona-Lockdowns im Engadin entstanden sind, darunter Artikel und Kolumnen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den österreichischen Standard und die Südtiroler Wirtschaftszeitung.

Mit dabei sind ein Sketch über die schwierige Wahrheitsfindung in ungewissen Zeiten sowie humorvolle Lieder – Parodien bekannter Songs wie „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Country Roads“, aber auch eigene Lieder wie „Weltuntergang“! https://www.youtube.com/watch?v=0GVjquZq5P8. Kurt Gritsch begleitet an der Gitarre.

Ein ebenso poetisches wie provokant-witziges Programm, das zum Schmunzeln, Nachdenken und Mitreden einlädt. Kontakt: kurt.gritsch@gmail.com

 

18. April

es ist heldenzeit

wir erzählen einander

die legenden und mythen

der unbeugsamen krankenschwestern

der todesmutigen ärzte

der aufoperungsvollen pflegerinnen

der wackeren müllmänner

und wir vergessen auch uns nicht

die wir das alle durchstehen

duldsam und tapfer

am rande des abgrunds.

 

täglich wächst unser glanz

unser heldentum stellt alles

in den schatten

überstrahlt grell

den kleingeist die feigheit

die gemeine gemeinheit

die nie klarer zutage treten

als in zeiten der helden.

 

22. April

Wer die Krise rhetorisch zur „Herausforderung“ verkitscht, suggeriert ihre Lösbarkeit durch Sportsgeist. Als sei sie eine Aufgabe, durch gründliches Nachdenken, durch beherztes Handeln zu bewältigen, ein Rätsel, das der findige Geist knackt. So wird eine globale Katastrophe zur individuellen Kreativitätsprüfung verniedlicht: Nimm die Herausforderung an! Lass dir was einfallen! Jetzt ist die Chance, etwas völlig Neues und Einzigartiges zu erschaffen!

 

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Dr. Kurt Gritsch
Historiker & Konfliktforscher
CH - 7530 Zernez
Tel.:   +41 81 850 2152
E-Mail: kurt.gritsch@gmail.com