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Rechtsfragen und Rundumschlag

To: <biblio-list@provinz.bz.it>
Subject: Rechtsfragen und Rundumschlag
From: "Bibliothek Neumarkt" <bibneumarkt@provinz.bz.it>
Date: Wed, 16 Apr 2003 11:58:08 +0200
Sender: owner-biblio-list@provinz.bz.it
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
anlässlich der Jahresversammlung des BVS habe ich feststellen können, dass im Südtiroler Bibliothekswesen Zustände wie in China oder früher in der UdSSR herrschten.
Alles wurde kommentarlos angenommen und einstimmig genehmigt. Ich habe mich gehütet, als einziger gegen irgend etwas zu stimmen oder mich der Stimme zu enthalten.
Ich gehöre einigen Vereinen an, habe aber noch keine Jahresversammlung erlebt, die nicht den Programmpunkt "Allfälliges" enthielt, bei welchem auch diskutiert werden konnte. Die Geschäftsgebarung und ähnliche Dinge interessieren mich ja auch relativ wenig. Es gäbe aber genug Punkte, über die man diskutieren könnte und müsste. Denkt nie jemand daran, dass die Jahresversammlung des BVS die einzige Gelegenheit ist, bei der man wirklich von einem "Plenum" sprechen könnte? Fragen, die alle betreffen gehören auch dort hin und nicht nur in eine kleine Arbeitsgruppe am Vormittag.
Wenn sich im Nachhinein zeigt, dass Ehrenamtlichen nicht auffällt, was im "Dolomiten"-Artikel alles falsch war, sollte schon dieser Umstand bedenklich stimmen. Ich wurde dort übrigens zitiert, weil der Journalist offenbar mich als einzigen persönlich gekannt hat. So kommt man zu unverdienten und fragwürdigen Ehren.
Dr. Sitzmann wird mir verzeihen, wenn ich sage, dass auch er einiges kritisiert hat. Wahrscheinlich hat er sich aber nicht laut gemeldet, weil er Wichtigeres zu tun hat und Kritik bisher immer relativ wenig bewegt hat.
Für mich gibt es wieder mehr als einen guten Grund, mich ungehalten zu äußern. Den lieben Johannes muss ich darauf hinweisen, weil es ihm offenbar nicht auffällt, dass "Hudeln" im Bibliothekswesen bald ganz normal ist. Am 15. April schreibt er, bis zum 22. (Dienstag nach Ostern!) sollen wir unsere Fragen an den BVS richten.
Weiß er, dass es Bibliotheken gibt, die längst nicht jeden Tag die Biblio-List ansehen, weil sie z.B. nicht jeden Tag geöffnet haben? Es soll sogar welche geben, die über Ostern ein paar Tage schließen. Sollen wir in den Osterferien als Hausaufgabe aufschreiben, was es zu SIAE usw. für Fragen gibt? Man tut da oben lange Zeit fast nichts und will dann innerhalb kürzester Zeit alles bewältigen.
 
Mit einem Umstand, der Amt und BVS scheinbar nicht bewusst ist, werden Mittelpunktbibliotheken immer wieder konfrontiert: Ehrenamtliche werden von Aussendungen und Mitteilungen zwar erreicht, sie nehmen sie aber oft kaum zur Kenntnis. Viele haben inzwischen Internet, wenn ich sie aber über BISON ausfragen würde, käme  zweifellos viel Unwissen zum Vorschein. Wie auf vielen Gebieten von EDV präsentiert sich nach außen alles recht schön, dahinter ist vieles aber faul.
Der Nutzer weiß nicht, ob eine Bibliothek Schlagworte überhaupt vergibt, in vielen Bibliotheken wird offenbar Belletristik beschlagwortet, das in der Maske von BISON aufscheinende Jahr, das bestimmt dem Erscheinungsjahr entsprechen sollte, bezieht sich offenbar auf den Zeitpunkt, wann der Datensatz in BISON gelandet ist. Bei deutschen Beständen aus italienischen Bibliotheken gibt es riesige Probleme mit den Umlauten.
Ich würde BISON mit einem schönen, bunten Luftballon vergleichen, der nur ein paar Fehler hat, nämlich Löcher.
Ein Katalog mit so großen Mängeln ist für eine seriöse Nutzung vollkommen ungeeignet: Man weiß nicht, wie aktuell der Bestand ist, man weiß nicht, ob ein Titel richtig geschrieben ist, obwohl wir seit zwanzig Jahren den Lesern den Unterschied zwischen Sachbuch und Belletristik beizubringen versuchen, wird in BISON getan, als ob es keinen gäbe.
Ich habe gute Gründe, unseren Katalog noch nicht in BISON übernehmen zu lassen. Er hat auch ein paar Eigenheiten. Dem Durchschnitt der Beschlagwortung in BISON ist er aber bestimmt weit überlegen: wenn ich etwas anders gemacht habe, dann war ich normalerweise mindestens konsequent. Wenn ich bei den Tagungen der MPB von RSWK, SWD usw. reden hörte, habe ich die Kolleginnen und Kollegen oft bewundert. Inzwischen weiß ich, sie kochen auch nur mit Wasser. Ich rege mich auf, die anderen lassen Amt und BVS reden und tun sehr oft ganz professionell. Tatsache ist, dass die Professionalität fast auf allen Gebieten sehr zu wünschen übrig lässt. Als Entschuldigung muss man sagen, wir haben alle viel zu viele Aufgaben und zu wenig Personal und Zeit!
Die Überarbeitung des ESSB könnte man natürlich seitenlang besprechen und den staunenden Lesern darlegen, welche Überraschungen sie für uns bereit hält. Wie findet Ihr, dass es für die Bücher, die bisher unter Ha 2.5 standen (Ernährung, Kochbücher) nun sage und schreibe 24 Stellen geben soll? Unter anderem wird darin aber noch fröhlich Schnaps unter die analkoholischen Getränke gemixt. Handarbeiten lieben die Frauen nicht mehr sehr. Darum wird Strick-, Stick-, Häkelzeug und manches andere immer noch in ein Körbchen geworfen. Wir dürfen in der Bibliothek die Frauen dann darauf aufmerksam machen, dass im Regal irgendwo noch ein Buch, das sie übersehen haben, stehen muss. Ich frage mich auch, welcher Experte aus den Landwirtschaftlichen Oberschulen sich den Abschnitt  angesehen hat, wo weiterhin Obst- und Weinbau friedlich mit Nüssen usw. nebeneinander existieren. Das Pferd findet sich in der Systematik bei den Nutztieren nicht, dafür findet man unter dem Schlagwort (!) Pferd mit BISON in einer großen ÖB aber 23 belletristische Werke und 5 Sachbücher. 
 
Es reicht.
Trotzdem frohe Ostern!
Roland 
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