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Tipp für Heimatforscher, Dorfzeitungsschreiber u.a.

To: biblio-list@provinz.bz.it
Subject: Tipp für Heimatforscher, Dorfzeitungsschreiber u.a.
From: Roland Zwerger <roland.zwerger@gemeinde.neumarkt.bz.it>
Date: Tue, 07 Nov 2006 14:21:07 +0100
Reply-to: roland.zwerger@gemeinde.neumarkt.bz.it
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Weil ich diese Mail versehentlich von meiner eigenen Adresse verschickt habe anstatt von jener der Bibliothek und ich nicht in der biblio-list war, kommt dieser Hinweis, was einen Dokumentarfilm-Tipp betrifft, zu spät. Das Thema sollte aber immer noch interessant sein!
Es würde mich allerdings schon überraschen, wenn biblio-list-Teilnehmer
den Film gesehen hätten, und noch mehr, wenn jemandem der Name Tambora
schon ein Begriff wäre!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
es wird nicht schaden, wenn einmal auf etwas hingewiesen wird, das nicht
nur von bibliothekarischem Interesse ist.
Im Fernsehprogramm habe ich eine ganz unscheinbare Ankündigung bemerkt,
die bestimmt auch von Leuten übersehen wird, die für solche Dinge
vielleicht aufgeschlossen sind.
ARTE zeigt am Samstag, 4. November, um 20.40 Uhr eine Dokumentation über
die "Klimakatastrophe 1816".
Im Rahmen der Weiterbildung für Chronisten habe ich 2005 in einem
Vortrag auf dieses Thema aufmerksam gemacht, bin aber ziemlich
abgeblitzt. Ich meine jetzt nicht, dass man sich für so etwas
interessieren muss. Es geht mir auch keineswegs um eine vielleicht
bevorstehende Klimakatastrophe.
Falls Historiker oder Heimatkundler, die für eine Dorfzeitung schreiben,
in der Biblio-List sind, könnte jemand aus diesem Tipp leicht einen
interessanten Aufsatz machen, der bei den Lesern gut ankommt. Ich selbst
habe schon 2003 einen ordentlich recherchierten Artikel für das
"Traminer Dorfblatt" und 2004 für die Neumarkter Dorfzeitung "Die
Ritsch" verfasst.
Worum geht es?
Im Frühjahr 1815 ist in Südostasien der Vulkan Tambora ausgebrochen. Man
schätzt die Materialmenge der Eruption auf 150 Kubikkilometer. Was in
die Stratosphäre gelangte, umkreiste jahrelang die Erde und verdunkelte
den Himmel. Anders als 1883 beim Ausbruch des Krakatau gab es noch keine
schnellen Nachrichtenverbindungen und der Zusammenhang mit dem, was auf
diese nur scheinbar lokale Katastrophe folgte, wurde erst viel später
hergestellt.
Dass von den Südtiroler Chronisten noch niemand den Namen Tambora gehört
hatte, wundert mich nicht. Auch nicht, dass in älteren Tirolensien die
Ursache für den kurzfristigen Klimawechsel nicht erkannt wurde. Man
liest in unseren Chroniken aber von Schnee in Mitteleuropa bis zum
Sommer, von Überschwemmungen und Missernten, so dass die Bevölkerung
sich von Heu und Gras, in Reutte sogar von Mäusen ernährte. So ist es
nur selbstverständlich, dass auch die Sterberaten ganz deutlich
anstiegen und die Geburten zurückgingen. Für Tramin und Neumarkt habe
ich das natürlich belegt, das lässt sich aber zweifellos auch in jedem
anderen Dorf anhand der Pfarrmatriken feststellen.
Während man Daten zum Ausbruch des Tambora inzwischen zahlreichen
Sachbüchern entnehmen kann, hat eine Rezeption bis in unsere
umfangreichen Dorfbücher noch nie stattgefunden. Dabei wäre auch das
eine Möglichkeit, Dorfgeschichte global zu sehen!
Wie gesagt, die Folgen sind für einzelne Südtiroler Gebiete
beispielsweise Tinkhausers Chronik von Bruneck zu entnehmen, für Meran
bei Cölestin Stampfer, für Bozen selbstverständlich bei Justinian Ladurner u.v.m.
Sachbücher, die den Tambora-Ausbruch erwähnen oder auch ausführlicher
behandeln, sind:
Winchester, Simon: Krakatau - München: Knaus, 2003.
Keppler, Erhard: Die unruhige Erde. Hamburg: Rasch und Röhring, 1998.
Jacob, Klaus: Entfesselte Gewalten. Basel: Birkhäuser, 1995.
Naturkatastrophen. München: Meyers Lexikonverl., 1999. (Focus-Fakten)

Ich bin gespannt, wie die Dokumentation für ARTE aufbereitet ist und ob
auch detailliert auf die Auswirkungen in Europa eingegangen wird.
Noch einmal: Wer eine Verbindung zum eigenen Heimatort herstellen wird,
braucht sich wirklich nicht besonders anzustrengen. Schriftliche
Unterlagen sollte es in jeder Bibliothek geben und die Toten- und
Taufbücher zu lesen ist keine Kunst.

Es würde mich freuen, greift jemand diese Anregung tatsächlich auf, und
noch mehr, wenn mir darüber auch kurz berichtet würde!

Besonders jenen, die bis hierher alles gelesen haben,
freundliche Grüße
Roland Zwerger


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