oder: Kleine Pathologie des Buches
Papier ist geduldig, heißt es. Viel Papier ist noch sehr viel geduldiger, so folglich wohl die verbreitete Annahme. Bibliothekare können jedenfalls ein Lied davon singen, was ihre Bücher oft mitmachen und aushalten müssen. Sie werden bekritzelt, nass gespritzt, die Seiten eingerissen, müssen als
Schreib- oder Bastelunterlage dienen (Schriftabdrücke, Nagellöcher, Sägerillen, unlösliche Farbspuren …), als Untersetzer für Kaffee- und Teetassen, Wein- und Saftgläser herhalten (eingetrocknete Flüssigkeitsringe auf dem Buchumschlag, manchmal innen auf den Seiten …), mit Eselsohren
misshandelt, mit Kaffee-, Fett-, Keks- und Schokoladeflecken verunziert (ganze Picknicks werden offensichtlich über geöffneten Büchern abgehalten ...), mit offenen Seiten aufgeschlagen nach unten deponiert, fallen gelassen, im Park vergessen (einsam und allein, im Dunkeln!), an ihren Seiten wird heftig gezerrt, im Notfall unsäglich mit Klebstreifen bandagiert und verunstaltet (bitte nicht!!) oder sie werden einfach nur – wie ungemein unhöflich – mit ungewaschenen Händen traktiert. Vielfältig sind auch die Gründe, mit denen ihr stiller, aber nicht schmerzloser, jedoch unabänderlicher Tod angekündigt wird. Drucksend, zögerlich oder auch mutig entschlossen, aber meist ehrlich wird da erklärt, das Buch sei ins
Wasser gefallen (Badewannenleser?/laufende Schwimmbadsaison?), im Regen vergessen (von allen vergessbaren Dingen, warum ausgerechnet das Buch?), im Flugzeug liegen gelassen (kommt relativ selten vor, aber kommt vor), vom Hund zerbissen (kommt unglaublich häufiger vor als "im Flugzeug liegen
gelassen"), beim Umzug verloren worden, hinter den Schrank/das Sofa/die Küchenzeile gerutscht und nicht mehr hervorholbar oder das Baby/Kleinkind habe es erwischt (und nicht nur den so lustig flatternden Fristzettel auf der ersten Buchseite, heiß geliebt von allen grapschenden Babys/Kleinkindern. An dieser Stelle jedoch ein tief empfundener Stoßseufzer: Gott sei Dank hat das Baby/Kleinkind nur ein Buch erwischt, und nichts Gefährlicheres!). Interessant auch die Funde in zurückgegebenen Büchern: Abgesehen von Ab- oder Eindrücken aller Art (Finger-, Gras-, die berühmten Schokokekskrümel-, Reißnägel-, zerdrückte Insekten …), rollen dem schon gar nicht mehr verwunderten Bibliothekar ganze Schrauben, Stifte, undefinierbare kleine Plastik- oder Metallteile, die zu Lesezeichen umfunktioniert wurden, entgegen. Aber auch Kassenbons, Rechnungen, Familienfotos, Liebesbriefe, Meeressand, gepresste vierblättrige Kleeblätter oder sonstige Pflanzenteile, ausgefallene Haare, Krümel jeder Art (Himmel auch, Papier ist geduldig!) oder 1-Cent-Münzen (hin und wieder; wohl, weil die Einkaufstasche für den Buchtransport verwendet wurde) finden sich praktisch zwischen den Seiten. Wenn sich jetzt allerdings ein Schatzsucherherz rühren sollte, dem sei gesagt: Nein, größere Scheine der gängigen Währung werden so gut wie nie zwischen diskreten Buchseiten abgelegt. Die einzigen beiden Male seit Bestehen der Bibliothek (inzwischen seit guten 40 Jahren) waren die letzten Leser des Buches bekannt, wurde
verständigt und konnten ihre Notgroschen beglückt wieder entgegennehmen.
Merke:
Bücher sind Freunde, wahrscheinlich in allen Lebenslagen.
Bibliotheken sind Freunde: Sie helfen sparen und man trifft sie dort, seine Buch- und andere Bücherfreunde.
Bibliothekare sind Freunde: Sie kümmern sich um die Bibliotheken, um die Bücher und um die Besucher.
Also behandeln wir sie gut. Und: Händewaschen bitte nicht vergessen!
N.B.: Wer keine Bücher herumliegen haben, keine Buchseiten rascheln hören, keinen Leim- oder Druckerschwärzegeruch aushalten und sich seine Kekskrümel, Liebesbriefe, Fingerabdrücke und Wasserflecken hübsch für sich behalten, aber auch nur wenig Gewicht mit sich herumschleppen möchte, dem sei Biblio24 empfohlen, Südtirols Online-Bibliothek: Rund um die Uhr geöffnet, per Mausklick jederzeit zu besuchen, mit großer Auswahl an E-Paper, E-Magazines, E-Books, E-Audios und E-Videos.
Merke 2:
Ein Buch ist ein Buch. Papier ist geduldig.
Anmerkung:
Bibliothekar*innen
Leser*innen
Besucher*innen
Bibliotheken sind Freundinnen
Bibliothekar*innen sind Freund*innen
...
Mit allerbesten Grüßen zum Tag des Buches
Ildiko G. Maier
Öffentliche Bibliothek Ritten
Am Bahnhof 2
39054 Klobenstein
Tel. +39 0471 356593
E-Mail-Adresse: bibliothek@ritten.eu
www.bibliothek.ritten.eu
Öffnungszeiten:
Montag: 8:00 – 11:00 h | 14:00 – 17:00 h
Dienstag: 8:00 – 11:00 h | 14:00 – 17:00 h
Mittwoch*: 14:00 - 17:00 h
Donnerstag: 8:00 – 11:00 h | 14:00 – 17:00 h
Freitag: 8:00 – 11:00 h | 17:00 – 19:30 h
*Mittwochöffnung vom 04.09.2023 bis 14.06.2024,
alle anderen Zeiten ganzjährig
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